Contents: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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Das Land ist mit kleinen Städten übersäet. Die Haupt- und 
Residenzstadt aber ist Stuttgart in einem nach dem Neckar zu¬ 
gehenden Thale, welches mit Reben und Obstbäumen reich bepflanzt ist. 
Ihre Einwohnerzahl ist auf 91.000 angewachsen, so daß man sie jetzt 
zu den großen Städten zählen kann. Besonders bemerkenswerth für 
jeden Deutschen ist das dem aus Würtemberg gebürtigen großen Dichter 
Schiller errichtete Denkmal. Er allein würde sein Vaterland allent¬ 
halben berühmt machen; darum wäre es undankbar gewesen, wenn man 
sein Andenken in der Hauptstadt von Schwaben nicht geehrt hätte. 
Außer Stuttgart sind noch die Universitätsstadt Tübingen und die 
Festung Nlm bemerkenswerth. — Durch ein wohlgeordnetes Schul¬ 
wesen hat die würtembergische Regierung sehr viel zur Bildung des 
Volkes beigetragen, und eben Würtemberg, das Schwabenland, 
ist es, welches dem deutschen Volke viele berühmte Dichter, z. B. 
Schiller, Uhland, Justinus Kerner u. a. gegeben hat. 
Neben der Anhänglichkeit an ihre Heimath zeichnen den schwäbischen 
Volksstamm auch Anhänglichkeit und Treue gegen den Landesherrn und 
gegen die Familie aus. So wird von den Frauen des Städtchens 
Weinsberg folgendes berühmte Beispiel der,Treue erzählt. Als 
nämlich ein deutscher Kaiser die Stadt, welche sich zu seinen Feinden 
gehalten hatte, belagerte, wehrten sich die Bürger so verzweifelt, daß 
er im Unwillen schwur, wenn er hineinkomme, werde er keinen, der 
die Waffen geführt, verschonen. Der Hunger zwang endlich die Stadt, 
sich zu ergeben, und kein Bitten und Flehen vermochte nun den Kaiser 
zur Gnade zu bewegen. Nur den Weibern, beladen mit ihren besten 
Schätzen, wurde freier Abzug bewilligt. Aber als sich das Thor öffnet, 
was zeigt sich den mordlustigen Kriegern des Kaisers? Eine lange 
Reihe der Weiber, die, mit Zurücklassung ihrer liebsten Habe, ihre 
Männer, Vater und Söhne als ihre besten Schätze auf dem Rücken 
trugen. Obgleich mancher aus des Kaisers Gefolge diese List nicht 
gelten lassen wollte, so erklärte dieser doch, sein kaiserliches Wort 
müsse gehalten werden. Die Weiber hatten den Männern das 
Leben gerettet, und der Kaiser belohnte diese ihre Treue dadurch, daß 
er ihnen auch alle ihre Besitzthümer ließ. 
Von der Treue der Schwaben gegen den Landesherrn wird folgende 
Geschichte erzählt. Als Graf Eberhard von Würtemberg in 
seinem Alter in Wildbad sich erholen und die vielen Wunden, die 
er in den Schlachten für sein Land empfangen, heilen wollte, wurde 
er plötzlich von feindlichen Rittern dort eingeschlossen und wäre ohne 
Zweifel von ihnen gefangen worden, hätte ihn nicht ein treuer Unter¬ 
than gerettet. Ein Hirt war es; dieser eilte athemlos herbei, dem 
Grafen die Botschaft von den heranziehenden Feinden zu bringen. 
Aber damit begnügte sich der Mann nicht; er zeigte dem alten Herrn 
zugleich einen verborgenen Pfad zur Flucht, und als dieser nicht rasch 
genug den Berg hinaufsteigen konnte, nahm ihn der kräftige Schwabe
	        
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