Die Kreuzzüge nach ihren Ursachen, Mißerfolgen und Wirkungen 
183 
Völker mißbrauchte, wurde die Kirche eine Polizeianstalt, die ihre Spione 
überallhin sendete, um jede freigeistige Regung gewaltsam zu unterdrücken. 
Blutvergießen, Mord und Unheil waren ihre Werke; sie baute nicht auf, 
sie riß nieder; sie brauchte nichts Neues, sie wollte das Alte mit Gewalt 
erhalten und sich nicht den neuen Bedürfnissen und den neuen Anschau- 
ungen der Zeiten anpassen. Aber durch Zerstörung und Fanatismus ist 
in der Welt noch nie etwas Bleibendes, Dauerndes geschaffen worden; 
deshalb konnte auch die Kirche ihre Macht nicht bewahren und erhalten. 
Indem der Papst seine Autorität als Gesetzgeber mißbrauchte und Steuern 
auferlegte, die Stellen besetzte und sich bezahlen ließ (Jnnocenz III. hat 
zum ersten Male Steuern auf die gesamte Kirche gelegt), untergrub er 
sein moralisches Ansehen und gab dem Glauben der öffentlichen Meinung 
immer mehr Nahrung, daß die Nachfolger Petri ihre Stellung dazu aus¬ 
nutzten, Geld von der ganzen Christenheit zu erpressen, wie es am Ende 
des Mittelalters tatsächlich der Fall war. 
So mußte die Macht des Papsttums infolge der un¬ 
moralischen Mittel, mit denen sie aufrecht erhalten werden 
sollte, zum Niedergang führen. 
§ 30. 
Die Kreuzzüge nach ihren Ursachen, Mißerfolgen und Wirkungen. 
I. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hat Europa ein geschichtliches 
Schauspiel gesehen, das nach seiner Eigenart und Bedeutung als eine 
Unternehmung ohnegleichen gefeiert, als Anfang einer neuen Epoche der 
Weltgeschichte hingestellt worden ist: der gemeinsame Krieg der bedeutendsten 
europäischen Staaten gegen China. Dieselbe Idee erfüllte die europäischen 
Mächte, nämlich Unterdrückung des Widerstandes, den ein asiatisches Volk 
dem von Europa ausgehenden Kulturfortschritt entgegensetzte. Und doch 
hat die Geschichte schon früher gezeigt, wie europäische Völker und Staaten 
sich zusammenschließen, wie sie alle feindlichen Absichten gegeneinander 
aufgeben können, wenn es sich darum handelt, eine große Idee zu ver¬ 
wirklichen. Die Kreuzzüge sind in dieser Hinsicht das großartigste Unter¬ 
nehmen, das die Weltgeschichte kennt; sie sind der gemeinsame Kampf eines 
ganzen Weltteiles nicht um materielle Interessen, — denn diese können 
nicht 100 Jahre lang die Kraft sein, welche die Menschen zur Aufopferung 
ihres Gutes und Lebens treibt, — sie sind ein Kampf für eine Idee, für
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.