Die Kreuzzüge nach ihren Ursachen, Mißerfolgen und Wirkungen
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Völker mißbrauchte, wurde die Kirche eine Polizeianstalt, die ihre Spione
überallhin sendete, um jede freigeistige Regung gewaltsam zu unterdrücken.
Blutvergießen, Mord und Unheil waren ihre Werke; sie baute nicht auf,
sie riß nieder; sie brauchte nichts Neues, sie wollte das Alte mit Gewalt
erhalten und sich nicht den neuen Bedürfnissen und den neuen Anschau-
ungen der Zeiten anpassen. Aber durch Zerstörung und Fanatismus ist
in der Welt noch nie etwas Bleibendes, Dauerndes geschaffen worden;
deshalb konnte auch die Kirche ihre Macht nicht bewahren und erhalten.
Indem der Papst seine Autorität als Gesetzgeber mißbrauchte und Steuern
auferlegte, die Stellen besetzte und sich bezahlen ließ (Jnnocenz III. hat
zum ersten Male Steuern auf die gesamte Kirche gelegt), untergrub er
sein moralisches Ansehen und gab dem Glauben der öffentlichen Meinung
immer mehr Nahrung, daß die Nachfolger Petri ihre Stellung dazu aus¬
nutzten, Geld von der ganzen Christenheit zu erpressen, wie es am Ende
des Mittelalters tatsächlich der Fall war.
So mußte die Macht des Papsttums infolge der un¬
moralischen Mittel, mit denen sie aufrecht erhalten werden
sollte, zum Niedergang führen.
§ 30.
Die Kreuzzüge nach ihren Ursachen, Mißerfolgen und Wirkungen.
I. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hat Europa ein geschichtliches
Schauspiel gesehen, das nach seiner Eigenart und Bedeutung als eine
Unternehmung ohnegleichen gefeiert, als Anfang einer neuen Epoche der
Weltgeschichte hingestellt worden ist: der gemeinsame Krieg der bedeutendsten
europäischen Staaten gegen China. Dieselbe Idee erfüllte die europäischen
Mächte, nämlich Unterdrückung des Widerstandes, den ein asiatisches Volk
dem von Europa ausgehenden Kulturfortschritt entgegensetzte. Und doch
hat die Geschichte schon früher gezeigt, wie europäische Völker und Staaten
sich zusammenschließen, wie sie alle feindlichen Absichten gegeneinander
aufgeben können, wenn es sich darum handelt, eine große Idee zu ver¬
wirklichen. Die Kreuzzüge sind in dieser Hinsicht das großartigste Unter¬
nehmen, das die Weltgeschichte kennt; sie sind der gemeinsame Kampf eines
ganzen Weltteiles nicht um materielle Interessen, — denn diese können
nicht 100 Jahre lang die Kraft sein, welche die Menschen zur Aufopferung
ihres Gutes und Lebens treibt, — sie sind ein Kampf für eine Idee, für