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Bildhauerei
und Malerei.
mernden Kräfte und ermunterte zum Schaffen. Wenn er auch
fremde Künstler nach Deutschland rief, Säulen und Bildsäulen
aus Italien kommen ließ und mit dem Reiche der römischen Kai¬
ser die ihrer Zeit eigenthümliche Kunst wiederherstellen zu wollen
schien, so wurde doch der dem Volke inwohnende Geist zur Thätig¬
keit und zum Wetteifer mit der fremden Kunstweise angeregt. Be-
achtenswerth ist es, daß wir in den Urkunden der karolingischen
Zeit bei Malereien, Skulpturen und Bauten schon sehr häufig deut¬
sche Namen finden; daß ein Maler Jngobert sich seiner Ueber-
legenheit über italienische Meister rühmte; daß der Papst Hadrian
sich von Karl dem Großen für eine schwierige Wiederherstellung in
der Peterskirche einen Baumeister erbat.
Aus dem Ringen und Durchdringen römischer und germanischer
Elemente ging ein eigener Kunststil hervor, den man den roma¬
nischen nennt, und der unter mannigfachen Modificationen herr¬
schend blieb, bis im 13ten Jahrhundert die germanischen Elemente
die Oberhand behielten und zu neuen Bildungen führten. In der
Baukunst hielt man sich an die überlieferten Anlagen der Rund¬
bauten und Basiliken, mit Vorliebe für die letzteren; an die Stelle
der antiken Einfachheit trat aber mehr und mehr Mannigfaltigkeit
und Reichthum. Diese Richtung wurde begünstigt durch die Ver¬
breitung der, orientalischer Prachtliebe entsprechenden, byzantinischen
Formen und durch Hinzufügung der Thürme, welche mit der Ein¬
führung der Glocken entstanden und zu den reichsten Entwickelungen
des Stiles Veranlassung gaben.
Karl der Große baute Paläste zu Aachen, Ingelheim
und Nimwegen, die als Prachtbauten gepriesen wurden. Der
Palast zu Ingelheim war reich mit Gold verziert, hundert Säulen
trugen seine Decken und an den Wänden prangten Bilder, Darstel¬
lungen aus der Weltgeschichte bis auf Karl, mit Einschluß der Lei¬
densgeschichte Christi. Das Schloß zu Aachen scheint noch größer
und prächtiger gewesen zu sein. Von diesen Prachtbauten ist fast
nichts mehr erhalten. Dagegen besitzen wir ein, wenn auch man¬
nigfach verändertes, doch sehr bedeutendes Denkmal der Kunstrich¬
tung des großen Kaisers in der Marien- oder Münster-Kirche
zu Aachen, welche in den Jahren 796 bis 804 erbaut wurde.
Mehr noch als die Baukunst waren Bildhauerei und Ma¬
lerei an die Ueberlieferungen in der Kirche gebunden, und diese
waren ursprünglich das Vermächtniß des ersterbenden Heidenthums,
so daß häufig nur der beigeschriebene Name oder ein anderes Merk¬
mal die christliche oder heidnische Bedeutung verräth. Noch war
der auflebende germanische Geist zu schwach zu eigenen idealen Bil¬
dungen; es fiel keinem Künstler ein, für die Gegenstände religiöser
Verehrung stch die entsprechenden Formen zu erdenken. Die Ge¬
stalten Christi, Mariä, der Evangelisten, der Apostel und der Hei¬
ligen wurden übernommen wie Namen, ohne Bedürfniß und Ver¬
mögen, etwas daran zu ändern. Man erhielt diese Gestalten über¬
liefert, theils aus Byzanz, theils aus Italien. Beide Arten
der überlieferten Gestalten standen so ziemlich auf derselben niedri¬
gen Stufe, die byzantinischen Gestalten waren zu lang, die italie-