Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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Zuletzt wollen wir noch einen Blick auf den Verkehr und Han- 
del der westeuropäischen Völker in dieser Zeit werfen. Der Ver¬ 
kehr, welcher nach der Unterwerfung der verschiedenen Handelsstädte 
unter die römische Herrschaft fortbestand, verlor ganz und gar seine 
freie, selbstbestimmende Natur und wurde nicht viel anders als die 
Entrichtung von Tributen von Seiten der unterjochten Länder an 
das allein herrschende Rom. Da dieses Nichts hervorbrachte, son¬ 
dern nur verzehrte, so bedurfte es bei seiner auf Millionen gestie¬ 
genen Bevölkerung der Zufuhren aus den Provinzen. Diese Zu¬ 
fuhren hatten den doppelten Zweck, theils das Bedürfniß der Le¬ 
bensmittel, theils den Luxus und die Verschwendung der Neichen 
zu befriedigen. Das aus den Provinzen zum Theil als Tribut, 
zum Theil gegen Bezahlung aus dem Staatsschatz eingeführte Ge- 
traide wurde von Amtswegen unter das bedürftige Volk vertheilt, 
und diese Vertheilung als eine Pflicht der Regierung betrachtet. 
Die nachtheiligen Wirkungen dieses Systemes offenbarten sich in 
der zunehmenden Verarmung Italiens und der Stadt Rom. Dem 
italienischen Landmann wurde bei seiner mannigfachen Bedrängniß 
überdies noch sein natürlicher Markt, der Absatz nach Rom, durch 
diese Zufuhren aus entfernten Ländern entzogen. Am meisten litt 
die Stadt Rom, da sie nichts erzeugte, und alles, was nicht Tri¬ 
but war, in baarem Gelde zu zahlen hatte. Auf diese Weise san¬ 
ken die Bewohner in immer tiefere Armuth, und die Last wurde für 
die Regierung um so größer, je mehr sich aus allen Theilen deö 
Reiches die Menschen nach der Hauptstadt zogen, um da auf Kosten 
des Staates ernährt zu werden. Indem Rom die meisten Delika¬ 
tessen der Tafel und viele andere raffinirte Bedürfnisse des Luxus 
aus der Ferne bezog, ergab sich für mehrere der von Rom unter¬ 
jochten Länder ein geeignetes Mittel, um dem Sieger einen Theil 
der geraubten Beute wieder abzunehmen. Auf diese Weise gelang 
es Griechenland, Kleinasien, vorzugsweise aber Aegypten, einigen 
Ersatz für die früheren Verluste zu erlangen und in den Handel 
wieder einiges Leben zu bringen. Alexandria hatte großen Gewinn 
durch den Handel mit indischen Waaren, welche für den römischen 
Luxus bereits unentbehrlich geworden waren. Da die Römer nur 
Käufer waren und keine Waaren zum Umtausch bieten konnten, so 
läßt sich nicht leicht ein passivrer Handel denken. Da derselbe zu¬ 
gleich mit Wucher verbunden war, so wirkte das Verderben mit 
doppelter Schnelligkeit, und so mußte Rom den Völkern für seine 
Lebensbedürfnisse und den Luxus seiner Großen die Beute zurücker¬ 
statten, welche es ihnen mit roher Gewalt geraubt hatte. 
Um die Zufuhren aus den Provinzen in regelmäßigem Gang 
zu erhalten, waren eigene Handelsdirektoren bestellt, welche in 
Aegypten, Jllyrien, am schwarzen Meere und in Spanien ihren 
Sitz hatten. Dort erhielten sich noch einige Städte als Stapel¬ 
plätze des Handels, wie Alexandria, Aquileja, Byzanz, Massilia, 
Neu-Karthago und andere. Bei der Bestechlichkeit, welcher zumal 
in den spätern Zeiten des Kaiserreichs die öffentlichen Beamten zu¬ 
gänglich waren, erklärt sich die Vertheuerung der verschiedenen 
Waaren, die in Rom zum Verkauf kamen. Die ganze Einrichtung 
ist ein Beweis für die Unfähigkeit der Römer, den Handel nach
	        
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