Full text: Erzählungen aus der Weltgeschichte

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übet sie an meinem Weibe, Eurer Schwester; laßt sie Tuch von dem 
Sterbenden besohlen sein." Dann rang er in Schmerzen mit dem Tode. 
wie eine Weissagung kam das letzte Wort über seine Lippen: „INein 
Tod wird dereinst an euch allen gerochen werden." Danach verschied er. 
15. Kriemttilöens Klage. Nun kam die Zagdgenossen ein 
großes Zagen an, wie sie vor Frau Kriemfjilde bestehen sollten und wer 
ihr das große Herzeleid künden sollte. Rber Hagen schreckte auch davor 
nicht zurück; seine finstere Seele kannte weder Reue noch Scheu, der 
entgegenzutreten, der er ihr Liebstes genommen. (Er ließ also den 
Toten nach Worms schaffen und in dunkler Macht vor Kriemhildens 
Schlafgemach legen. Als sie am andern Morgen zur Messe gehen 
wollte, ward ihr angesagt, daß ein erschlagener Ritter vor der Tür 
läge. Sie brauchte nicht erst zu fragen, wer es wäre; mit furchtbarer 
Klarheit stand auf einmal alles vor ihrer Seele. „(Es ist Siegfried!" 
schrie sie auf; „Brunhilde hass geraten, und Hagen hat’s getan!'' 
Dann brach sie zusammen. Man führte sie zu dem Leichnam. Ste 
warf sich über ihn, hob sein schönes Haupt, bedeckte es mit Küssen 
und erhob herzzerreißende wehklage. Lange lag sie so, bis König 
Siegmund kam, dem man die Trauerbotschaft gebracht hatte, und 
seine Klagen und Tränen mit den ihren mischte. Lauter Jammer 
erscholl bald durch die ganze Stadt, und die Nibelungenrecken schrie 
nach Rache. Sie wappneten sich und kamen vor Kriemhildens Palast- 
Rber was hätte das Häuflein ausrichten können mitten im fremden 
Land! wie weh der Königin auch war, und rote bitter sie zürnte, 
dennoch riet sie, den Schaden durch ungleichen Kampf nicht noch 
mehren. 
Siegfried ward nun in einen kostbaren Sarg gelegt und fr* 
Münster aufgebahrt. RUes Volk strömte herzu, ihn noch einmal 3U 
sehen und für seine Seele zu beten. Da kam auch Günther mit seine" 
Mannen und wollte in die Klage einstimmen; aber Kriemhilde sprach- 
„Mit Unrecht klagt ihr, denn wäre es euch leid gewesen, so wäre dn' 
Tat nicht geschehen. Tretet heran zur Bahre; bei wessen Nahen &tC 
Wunde des (Erschlagenen wieder zu bluten beginnt, der ist ^ 
Mörder!" Da trat Hagen herzu, unö die Wunde blutete. So war 
seine Untat allem Volke offenbar, und hatte man bisher um den 
Toten getrauert, so klagte man jetzt auch über die Schande. T)rcl 
Tage verblieb der Leichnam über der (Erde, während das jamme^ 
reiche Weib rotes Gold in Hülle spendete allen, die für des geliebten 
Mannes Seele beten wollten. Dann ward er zur Gruft getragen.
	        
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