Full text: Geographische Bilder aus allen Erdtheilen

Das Leben der Rennthierlappen. 
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Will man das Rennthier in seiner ganzen Schnelle sehen, so muß 
man es als Zuathier betrachten, wie es nrt scharfen Trabe mit schnellen 
Schritten dahineilt. Das Geschirr ist leicht; man lenkt das Thier mittelst 
eines dünnen Riemens, der am Geweih befestigt wird, und treibt es ent¬ 
weder durch Zuruf und die Peitsche oder mit einem Treibstachel an. Es 
wird nur einzeln vor einen Schlitten gespannt. Sorgsam in Pelze eingehüllt, 
daß kein Theil des Körpers, mit Ausnahme des Gesichts, der freien Lust 
ausgesetzt ist, sitzt der Reisende in seinem kleinen Schlitten und hat nur die 
Arme und Schultern frei; das Thier wird mit der . Peitsche angetrieben 
und so gehts mit schnellen Schritten vorwärts. Es ist schwer, im Laufe 
anzuhalten, und hieraus entspringen gar mancherlei Unglücksfälle; oft wird 
ein Schlitten umgeworfen und der Reisende weithin über den Schnee ge¬ 
schleppt, bevor er das Thier zum Stehen bringt. Ein nur halb überfrorener 
Fluß unterbricht die Reise des Lappländers nicht; er treibt sein Thier zum 
schnellsten Laufe an, daß es einen Sprung über die Oesfnung macht, wenn 
sie auch sieben Fuß weit wäre, und der Schlitten folgt theils in Folge des 
Stoßes, den er erhalten hat, theils wegen des fortdauernden Zuges, den 
das Thier noch immer ausübt. Größere Gefahren entstehen, wenn Nebel 
oder Schneegestöber eintritt. Man bemerkt in solchem Falle in einer gewissen 
Himmelsgegend eine schwache Dämmerung, die allmälig zunimmt und bald 
den ganzen Horizont überzieht; die Landzeichen oder die Sterne, die dem 
Reisenden seither als Wegweiser dienten, verschwinden jetzt aus einmal, und 
gewöhnlich folgt auf den Nebel auch noch dichtes Schneegestöber. Ist eine 
Reisegesellschaft von mehreren Personen beisammen, so würden sie ohne das 
Klingeln der Glöckchen, die an verschiedenen Theilen des Geschirrs ange¬ 
bracht sind, einander schnell verlieren. Muß die Reise durch dichte Nebel 
oder Schneegestöber fortgesetzt werden, so geschieht es nur mit bedeutender 
Gefahr; denn in diesem Wetter ist auch der Erfahrenste des Weges nicht 
mehr kundig. Aus so bedenklicher Lage rettet die Bedrohten oft nur der 
instinktmäßige Scharfsinn des Thieres, das plötzlich anhält, ehe es noch den 
Rand der Kluft erreicht, selbst wenn es diesen allem Anschein nach im 
Dunkel garnicht sehen kann. Erlaubt das Wetter durchaus keine Fort¬ 
setzung der Rerse, so hüllt sich der Lappe in seinen Ueberrock von Rennthier¬ 
haut, streckt sich in den Schnee nieder und wartet geduldig auf günstigeres 
Wetter.^ Die Schnelligkeit des Rennthiers ist eine ungewöhnliche, indem 
es in einer Stunde mit Leichtigkeit zwei deutsche Meilen zurücklegt; allein 
es ist nöthig, daß man es spätestens in der drrtten Stunoe ablöst, damit 
es nicht buglahm werde, in welchem Zustande es ganz entmuthigt auf dem 
Boden sich ausstreckt, nicht wieder auf die Beine zu bringen ist und ge¬ 
schlachtet werden muß. 
Im Herbste, wenn die Thiere fett sind, schlachtet der Lappe von den 
älteren der Heerde, was er missen kann. Das Rennthier ist ausgewachsen 
so groß wie ein starker Hirsch. Braten und Keule schmecken ähnlich wie 
Hirschbraten; das Fleisch ist aber weicher und saftiger. Die Keulen werden 
auch geräuchert und als Rennthierschinken weit versandt. 
17. Der Häringsfang an der Küste von Norwegen. 
Kaum giebt es ein wunderbareres Geschöpf als den Häring, dessen 
Geschichte in den tiefsten Tiefen des großen Salzwassers noch gar nicht so 
Fbnau erforscht ist, als man meinen mag. Unter allen den kaltblütigen 
Geschlechtern in beschuppter Haut ist das seine wahrscheinlich das zahlreichste; 
denn wer zählt die ungeheuern Schwärme, welche jährlich aus den Meeres-
	        
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