Der Häringssang an der Küste von Norwegen.
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reißen; denn die Häringe stehen so dicht zusammen, daß, wenn der Fang
gut ist, in jeder Masche des Netzes ein Frsch steckt. Dabei ist ihre Menge
so ungeheuer, daß sie zuweilen eine Wand bilden, welche bis auf den Grund
hmabreicht und von deren Druck nach oben die Böte dann mehrere Centimeter
hoch aus dem Wasser gehoben werden. Achtzehn Netze stellt jedes Boot und
wirft die andere Hälfte aus, sobald es die erste mit dem Fang herausgezogen.
Und während nun jene sich wieder füllt, rudern die Fischer mit den armen
Opfern ihrer Schlauheit zum Strande, wo der Kaufmann wartet. Dort
werden sie gezählt und ihm überliefert. Schaluppen stehen bereit, in deren
Raum die Fische geworfen werden, und sobald bte Fahrzeuge gefüllt sind,
eilen sie nach Stavanger oder Bergen.
Dort nun eröffnet sich an der deutschen Brücke ein neues Schauspiel.
Arbeiter karren den Häring aus den Schiffen unter die weiten Durchgänge
der Häuser. Hier sitzt, von Tonnen umringt, eine große Anzahl Menschen,
größtentheils alte Frauen, die mit dem Messer in der Hand das Werk des
Auskehlens verrichten. Die Karren werden bei ihren Plätzen umgestürzt, so
daß die Frauen halb in Fischen vergraben sind; nun ergreifen sie den einen
nach dem andern, schneiden rhm die Kehle auf und reißen mit einem kunst¬
gemäßen Zuge Gedärme und Eingeweide heraus. Dann werfen sie ihn rn
die bereitstehenden Tubben, und sie haben in dieser Arbeit eine solche Ge¬
wandtheit, daß vielen tausenden Fischen täglich dasselbe widerfährt.
Sobald die Tubben gefüllt sind, werden sie von anderen Arbeitern
an den Platz des Einsalzens gefahren; dort werden die Fische in Fässer
gepackt und mit Salzlake begossen; die Tonnen, vom Böttcher geschlossen
und in den Magazinen aufgestapelt, sind nun zur Ausfuhr fertig. Wenn
man bedenkt, daß in den letzten guten Zeiten von Bergen allein jährlich
beinahe 300,000 Tonnen Häringe ausgefahren sind, kann man sich wohl
einen Begriff von der Größe und Lebendigkeit dieses Handels machen. Alle
gewinnen dabei. Das Holz zu den Tonnen kommt aus den Wäldern und
die Eigenthümer derselben, die Bauern, welche es heranfahren, die Hand¬
werker, welche es verarbeiten, die Frauen uno Kinder, die den Häring aus¬
kehlen, die Männer, welche ihn herbeischaffen, die Fischer und Schiffer, die
Bootsleute und Rheder, vor allem aber die Kaufleute theilen sich in den
Vortheil.
Der Fang geht ununterbrochen vier Wochen lang und oft länger vor
sich. Wie viele Fische auch in dieser Zeit in der ungeheuern Zahl von
Netzen herausgezogen werden, die Masse der übrig bleibenden scheint dadurch
nicht vermindert. Immer neu drängt sich das unermeßliche Heer herauf auf
die Oberfläche, und draußen vor den Scheeren, oft mitten zwischen den
Fischerbooten, liegen die Wale wie abgerichtete Schäferhunde auf der Lauer
und scheuchen bie_ furchtsame Heerde zurück, wenn sie Miene macht, sich zu
entfernen. Mensch und Walfisch haben einen Bund geschlossen zur Ver¬
nichtung des unglücklichen widerstandslosen Gefangenen, der ihrer Wuth
allein durch seine unvertilgbare Menge spottet, welche sich zur Schlachtbank
drängt. Hunderte von Walen haben das Häringsheer herangetrieben, sie
haben es schon weit im Meere erspäht, als es, von unbekannten Ursachen
gezwungen, aus den Tiefen emporstieg. Kühnen Wüstenräubern gleich,
haben sie dem Zuge ausgelauert, täglich ihn angefallen, ihren eigenen
Hunger gestillt, und jetzt liegen sie, riesenhaften Baumstämmen gleich,
bewegungslos dicht vor dem Frschwalle, der nicht mehr entgehen kann, und
m ihre geöffneten Rachen ziehen sie mit jedem Athemzuge wie im Strudel
eme Anzahl lebendiger Geschöpfe hinab. Wie viele Tonnen Häringe täglich
von diesen Ungeheuern verbraucht werden, ist leicht zu denken, aber die
Mischer machen sie ihnen nicht streitig; sie haben ja dennoch mehr, als sie