Full text: Neuere Geschichte (Theil 3)

I. Einleitendes und Allgemeines. 
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Seite aus dem Dasein der Hierarchie basirt war, — unabhängigen 
Vernunftstaat. Dem Anctoritätsglauben der Kirche entspricht der Ge¬ 
horsam im Gefüge des Feudalstaates. Die Glieder des Staates, 
die sich untergeordnet sind, haben unter einander ein äußerliches Ver¬ 
hältniß; ein Drittes, Fremdes vermittelt sie. Nicht die sittliche Kraft 
deö Volks gehört dem allgemeinen Organismus und findet im Ge¬ 
horsam an ihn seine Befriedigung und Befreiung. Der Vernunft- 
oder auf die Freiheit der Individuen basirte Staat, gewährt, da er 
zugleich auf der vom Object unbedingteren Arbeit basirt ist, dem In¬ 
dividuum größere Freiheit und Sicherheit auch im Punkte der mate¬ 
riellen Interessen. Der Besitz deö Bodens ist ein zufälliger, die freie 
Arbeit aber der Industrie und Gewerbe hat ein bewegliches Object, 
welches nur durch die Arbeit zu dem gemacht wird, was es sein soll. 
Das Individuum ist so das sreithätige selbst in der materiellen Sphäre. 
In der ideellen Sphäre ist das Individuum das geistig-freithätige, 
geisterfüllte. Indem in ihm die wahre Bedeutung des Geistes leben¬ 
dig geworden, ist das Individuum nicht mehr das blos endliche 
Subject, sondern zugleich, das allgemeine, unendliche Bewußtsein, 
geschichtliches Individuum, welches die Menschheit in sich weiß und 
in welchem sich geschichtlich die Menschheit frei offenbart. Erst dieses 
geschichtliche Individuum erkennt die Menschheit wahrhaft an, ihre 
Allgemeinheit und ideelle Macht, wie ihr Dasein in Individuen, 
Völkern und Staaten, als Concretionen der Menschheit. 
Kirchlich genommen, entsteht in diesem, zunächst abstracten, aber 
sich geschichtlich mit der Idee der freien Menschheit erfüllenden Be¬ 
wußtsein, der wahre Begriff der Gemeinde. Die Gemeinde ist da, 
wo der Kultus zur innern, zur Herzensangelegenheit geworden ist, 
wo die objective Vermittlung mit Gott durch den Priester, zugleich 
im Individuum, in dessen lebendigem Wissen und Glauben vorgeht. 
Die Vermittlung des endlichen Bewußtseins mit dem Göttlichen durch 
die Hierarchie ist die Vermittlung mittelst der Endlichkeit, Aeußerlichkeit. 
Dieses äußere Moment des endlichen Werks, welches die ewige Se¬ 
ligkeit gewinnen soll, ist durch die Reformation für die Gemeinde 
wieder ein innerliches geworden. Das Opfer der Versöhnung ist 
in des Menschen Gemüth und Glauben hereingenommen; wir sollen 
glauben, daß Christus für uns gestorben ist. Diesen Glauben 
zu erzeugen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, welchen Glauben 
wiederum nicht die äußerliche Lehre des Predigers, sondern der heilige
	        
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