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Europa.
mehrere Pallaste, welche einst die Großen des Königreichs Polen bewohn¬
ten und die jetzt verlassen stehen, und viele ansehnliche öffentliche Ge¬
bäude. Eine der vorzüglichsten Straßen, die ihrer großen Hauser we¬
gen allen Städten Europas Ehre machen würde, ist die Griechische
Straße; und der vornehmste Platz ist der Marktplatz, im Mittel¬
punkte der Stadt, der ein großes regelmäßiges Viereck bildet, und dessen
Mitte das lange, so genannte Tuchhaus (der Bazar von Krakau) ein¬
nimmt, dessen ganzer untere Raum aus einer einzigen gewölbten Halle
besteht, an deren Seitenwänden man eine große Anzahl von Kram¬
laden und Buden findet, die mit Waaren jeder Art angefüllt sind.
An der Südostseite dieses Platzes erhebt sich die Marienkirche mit ihren
beiden Thürmen, wovon der höchste 280 F. hoch und an seiner Spitze
von vielen kleinen, mit Blech bekleideten Thürmchen umgeben ist, wo¬
durch er fast das Ansehen einer Krone hat, aus deren Mitte eine hohe
Spitze aufsteigt; daher dieser Thurm vor allen Thürmen der Stadt die
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Kirche selbst, nach dem Muster
der Stephanskirche zu Wien (s. S. 537) erbaut und nächst der Ka¬
thedrale die schönste Kirche Krakaus, zeichnet sich durch ihre Größe und
ihr hohps Gewölbe vortheilhaft aus, und enthalt eine Menge Altare,
Gemälde, Monumente, Trophäen und schöne Glasmalereien in ihren
hohen und breiten Fenstern. Derselben gegenüber, auf der Nordwest-
seite des Marktplatzes, steht das alte im Gothischen Style erbaute
Rathhaus. Die schönste und merkwürdigste Kirche abvr nicht allein
in Krakau, sondern auch in dem ganzen ehemaligen Polen ist die Ka¬
thedrale oder Domkirche, dicht neben dem Schlosse und mit demselben
in Verbindung stehend. Sie ist gleichsam das Pantheon der Polen,
wo ihre meisten Könige und andere berühmte Polen ihre Grabstätte
und Monumente haben. Diese Kirche ist dem heiligen Stanislaus
geweiht, welcher Bischof von Krakau war und am 8. Mai 1079 vom
Könige Boleslaw II. am Altare der St. Michaelskirche ermordet wurde,
weil er das Betragen des in Wollust und Grausamkeit zügellosen Kö¬
nigs öffentlich rügte und den Bann über ihn aussprach. Zwei Reihen
von Säulen, mit Marmor überkleidet, tragen das nicht hohe Gewölbe
der Kirche, und sondern sie in 3 Abtheilungen, worin das Auge
überall Pracht und Verzierungen erblickr, indem weder Marmor, noch
Gold und Silber gespart sind. In der Mitte derselben, unter einer hohen,
von metallenen, vergoldeten Säulen getragenen Kuppel, ruhen in einem
silbernen, reich mit Laubwerk geschmückten Sarge, auf einem hohen
Postamente, die Gebeine des heiligen Stanislaus. Diese Ruhestätte
des Heiligen umgiebt ein eisernes Gitter, an welchem stets Andächtige
liegen, auf den Knien betend; Tag und Nacht werden hier von den
Geistlichen Gebete gesprochen, und zwei unablässig brennende Lampen
werfen ihren matten Schein über das prächtige Denkmal. 20 oder
nach Andern 16 Kapellen und 50 Altäre nehmen die Seitenwände
der Kirche ein. Zn diesen Kapellen ruhen die Gebeine der meisten