Full text: Realienbuch für mehrklassige Schulen

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Mahlzeit statt, die aber nur eine Stunde dauerte. Abends besuchte der Kaiser öfters 
das Theater, und wenn es viel zu arbeiten gab, schrieb er oft noch bis um 11 oder 
12 Uhr in seinem Arbeitszimmer. 
Alljährlich reiste der Kaiser im Sommer zur Stärkung seiner Gesundheit in 
ein Bad. Auf diesen Besuch freuten sich die Badebewohner und Kurgäste gleich¬ 
mäßig, denn der Kaiser zeigte sich freundlich und liebenswürdig gegen jedermann. 
Im Herbste hielt er große Übungen mit den Soldaten ab. Dabei war er so 
pünktlich, daß er stets zur Minute erschien. 
d. Kaiser Wilhelms Tod. Am 22. März 1887 feierte Kaiser Wilhelm 
seinen neunzigsten Geburtstag. Dieser wurde in ganz Deutschland als ein hohes 
Fest begangen; denn das deutsche Volk war von Dank erfüllt gegen Gott, der dem 
edlen Herrscher ein so hohes und rüstiges Alter geschenkt hatte. Bald darauf wurde 
der greise Kaiser von schwerer Trübsal heimgesucht; denn sein Sohn, der Krön-, 
prinz, erkrankte. 
Als derselbe in San Remo war und so traurige Nachrichten über sein Be¬ 
finden nach Deutschland kamen, hörten die Diener den Kaiser oft in der Nacht 
weinen und seufzen: „O mein Sohn! mein Sohn!" 
Anfang März 1888 erkältete sich Kaiser Wilhelm. Bald wurde er ernstlich 
krank und sehr schwach. Die kaiserliche Familie versammelte sich um sein Lager. 
Der Kaiser besprach noch manches mit dem Prinzen Wilhelm und gab ihm gute 
Ratschläge für seine Regierung. Die Tochter des Kaisers bat ihn, er möchte sich 
doch nicht durch das viele Sprechen anstrengen. Er aber antwortete: „Ich habe 
keine Zeit müde zu fein." Zuletzt hörte man noch die Worte: „Der Herr hat mir 
mit seinem Namen geholfen." Dann starb er sanft und ruhig am 9. März 1888. 
In Deutschland, in ganz Europa und in allen Erdteilen, wo Deutsche wohnen, 
wurde Kaiser Wilhelm tief betrauert. Sein Nanie wird unvergeßlich bleiben; sein 
Andenken wird im deutschen Volke nie erlöschen. 
6. Die Kaiserin Augusta. 
a. Jugendzeit» Die Gemahlin Kaiser Wilhelms I. war die Kaiserin Augusta. 
Sie wurde im Jahre 1811 geboren. Ihr Vater war Großherzog von Sachsen- 
Weimar, wo damals der große Dichter Goethe lebte; auch andere Dichter und be¬ 
rühmte Gelehrte wohnten dort. Die Prinzessin wurde sehr gut unterrichtet; von 
ihrer Mutter wurde sie besonders zur Frömmigkeit und Mildthätigkeit erzogen. 
t>. Ucrmühlung. Im Jahre 1829 vermählte sich die Prinzessin Augusta 
mit dem Prinzen Wilhelm von Preußen. Gott schenkte dem Ehepaare zwei Kinder; 
der Sohn wurde als Friedrich III. Kaiser von Deutschland; die Tochter ist die 
Gemahlin des Großherzogs von Baden. Die Prinzessin Augusta widmete einen 
großen Teil ihrer Zeit der Erziehung ihrer Kinder; gern beschäftigte sie sich auch, 
mit Musik und Malerei. 
e. Sorge für das Wohl des Uolkes. Nachdem Prinzessin Augusta 
Königin geworden war, sorgte sie nach Kräften für das Wohl des Volkes. Unter 
ihrem Schutze entstanden in Berlin Volksküchen, in welchen für billiges Geld gute ' 
Nahrung verabreicht wird, ferner das Augusta-Krankenhaus. In den Kriegen 
überwachte und ordnete sie die freiwillige Krankenpflege. Sie wußte nicht nur 
viele Männer und Frauen zu bewegen, daß sie mit ins Feld zogen, um den Ver¬ 
wundeten und Kranken zu helfen, sondern sie sorgte auch dafür, daß für die Ver¬ 
wundeten, Kranken und für die Familien der Krieger Geld gesammelt wurde. So 
hat sie viel Elend und Not gelindert. 
Großes Verdienst erwarb sich die Kaiserin Augusta dadurch, daß sie den 
„Vaterländischen Frauen Verein" stiftete. Diese Vereinigung von Frauen aus allen 
Ständen und allen Gegenden des Reiches ist bei jedem großen Unglück zur Hilfe 
bereit. Wenn Überschwemmungen, Feuersbrünste, Hungersnot oder ansteckende 
Krankheiten eine Gegend verwüsten, so unterstützt der vaterländische Frauenverein 
die Unglücklichen durch Kleidungsstücke, Nahrungsmittel, Arzeneien und Geld. 
Außerdem hat er Waisenanstalten und Rettungshäuser erbaut und viele Kinder zu 
guten und ordentlichen Menschen erzogen.
	        
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