Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 3)

— 213 — 
lichen Güter widmen sollte. Seine Eltern wählten nämlich Schön¬ 
hausen zum dauernden Aufenthalt und überließen die pommerschen 
Güter, die sie außerdem besaßen, ihren beiden Söhnen, die sie 
zuerst gemeinschaftlich bewirtschafteten. Bald teilten sie jedoch den 
Besitz, und unser Otto vou Bismarck nahm seinen Wohnsitz iu 
Kniephof. Die Güter waren durch verfehlte Unternehmungen 
und wohl auch infolge längeren Aufenthalts der Bismarckfchen 
Familie in Berlin heruntergekommen und überschuldet, und Bis¬ 
marck hatte in den ersten Jahren mit nicht unerheblichen Schwierig¬ 
keiten zu kämpfen. Aber er widmete sich der Landwirtschaft mit 
der ganzen ihm eigenen Tatkraft, beobachtete fleißig, kümmerte sich 
persönlich um kleine und große Dinge, durcheilte in tollen Ritten 
seine ausgedehnten Fluren, suchte vou andern zu lernen, wie Ver¬ 
besserungen möglich wären, prüfte die Rechnungsbücher über (Ein¬ 
nahmen und Ausgaben und arbeitete sich so wirtschaftlich in die 
Höhe. Daun sah er des Abends gern auch Gäste bei sich, so daß 
er iu Kniephof mit seinen Freunden manche fröhliche Stunden 
verbrachte. Dadurch und durch seine tollen Ritte, sowie durch sein 
entschiedenes mannhaftes Auftreten und seine geistvolle Unter¬ 
haltung erregte er einesteils das Kopfschütteln, andernteils die 
Bewunderung seiner Nachbarn, und man nannte ihn wohl auch 
den „tollen Bismarck". Aber in stillen Stunden widmete er sich 
mit Vorliebe ernsten Studien und saß oft bis tief in die Nacht 
vor den Büchern; vor allem zog ihn das Studium der Geschichte 
au. Trotz aller Schaffenslust fand er aber doch nicht die volle Be¬ 
friedigung. Er fühlte, daß seine geistige Kraft brach lag, und 
das erzeugte zuweilen eine melancholische Stimmung iu ihm. 
Er versuchte es uoch einmal mit dem Staatsdienst und 
trat bei der Regierung zu Potsdam als Referendar ein; aber auch 
diesmal konnte er beit Formen des Bureandienstes keinen Geschmack 
abgewinnen. Es bedurfte daher nur eines Anlasses für ihu, um 
diese Tätigkeit wieder aufzugeben. Eines Tages kam er zu seinem 
Vorgesetzten, dem Oberpräsidenten von Meding, um sich Urlaub 
zu erbitten. Dieser ließ ihn nach seiner Gewohnheit absichtlich 
warten, so daß Bismarck nach einer halben Stunde dem Diener 
anbefahl: „Sagen Sie dem Herrn Oberpräsidenten, ich wäre fort¬ 
gegangen, aber ich käme auch uicht wieder." Er ging und nahm 
seinen Abschied. 
Mehrmals unterbrachen sein Landleben militärische Übungen. 
Während einer solchen legte er einst eine Probe seiner Unerschrocken-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.