Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

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lichem Geheul sprengten sie in den Flnß; die heftige Strömung aber riß sie mit sich 
fort, und so fanden die meisten in den Wellen ein klägliches Ende. Überall, wo sich 
im Lande fliehende Ungarhaufen sehen ließen, wurden sie vernichtet. Nur 7 Mann 
sollen mit abgeschnittenen Nasen und Ohren in ihre Heimat zurückgekehrt sein. Seit¬ 
dem sind die Ungarn nicht wieder nach Deutschland gekommen. 
6. Otto wird römischer Kaiser. 962 zog Otto nach Rom und ließ sich daselbst 
vom Papste zum römischen Kaiser krönen. Von nun an hieß Otto römisch-deutscher 
Kaiser, und seit ihm haben alle deutschen Könige den Titel „Kaiser" angenommen, 
auch dann, wenn sie sich nicht hatten in Rom krönen lassen. Durch diese Kaiser¬ 
krönung wurde fortan das untergegangene römische Kaisertum mit der deutschen 
Königswürde verbunden, und Deutschland erhielt jetzt den Namen „heiliges römisches 
Reich deutscher Nation". Die römische Kaiserkrone umgab den deutschen König mit 
hoher Würde und machte ihn zum Schutzherrn Roms und der christlichen Kirche. Die 
vielen Kriegszüge aber, die von jetzt an die deutschen Kaiser nach Italien hin unter¬ 
nehmen mußten, haben dem deutschen Lande viel Unruhe verursacht uud viel Geld — 
und Menschen gekostet. 
V. Papst und Linier. 
12. Gregor VII. 
1. Abhängigkeit des Papstes vom Kaiser. Seit den Zeiten Karls d. Gr besaß 
das deutsche Königtum mehrere Jahrhunderte hindurch dem Papste gegenüber die 
herrschende Stellung. Ganz nach Belieben besetzten die Könige die Bischofsstühle im 
Reich und belehnten die Bischöfe und Äbte mit Ring und Stab, den Zeichen ihrer 
Würde. Auch waren sie zur Besetzung des päpstlichen Stuhles berechtigt, uud in 
Zeiten der Not standen sie dem Papst treu zur Seite, um ihn gegen alle feindlichen 
Angriffe zu schützen. Jeder neugewählte Papst mußte sogar für sein weltliches 
Gebiet dem Könige der Deutschen den Eid der Treue schwören. Diese Abhängigkeit 
des Papstes von den deutschen Königen war in zwei Dingen begründet: in der Kraft 
des deulschen Königtums und in der Schwäche des päpstlichen Stuhles. Letztere ent¬ 
sprang der Sittenverderbnis des päpstlichen Hofes und der römischen Geistlichkeit. 
2. Das Wachsen der kirchlichen Macht. Als das erste Jahrtausend seinem Ende 
nahte, glaubte man allgemein, daß der Untergang der Welt bevorstehe. Dadurch 
wurde ein ernster, religiöser Sinn geweckt, der sich besonders in Bußübungen und 
strenger Zucht äußerte. Auch die Geistlichkeit, besonders in den Klöstern, wurde von 
diesem Streben ergriffen. Man hielt daraus, daß die Geistlichen sich eines ehrbaren 
Lebens befleißigten und sich ganz und gar dem Dienst der Kirche weihten. Immer 
strenger wurde darum auch die Forderung, daß die Priester ehelos bleiben sollten, 
damit sie, frei von allen Familienbanden, der Kirche blindlings gehorsam 
wären. Auch sollten die geistlichen Stellen nicht mehr von weltlichen Fürsten besetzt 
und noch weniger um Geld an den Meistbietenden vergeben werden, da so oft ganz 
Unwürdige die Bischofsstühle einnahmen. Geistliche Stellen sollten nur von Geist¬ 
lichen vergeben werden. 
3. Gregor VII. Zu jener Zeit (1073) bestieg Hildebrand, der Sohn eines 
Zimmermanns, als Gregor VII. den päpstlichen Stuhl. Durch ihn wurde die päpst¬ 
liche Macht auf den höchsten Gipfel erhoben. „Der Papst", sagte er, „ist der Stell¬ 
vertreter Gottes auf Erden. Er allein kann sich der kaiserlichen Abzeichen bedienen; 
seine Füße haben alle Fürsten zu küssen. Sein Name allein darf in dem Kirchen¬ 
gebete genannt werden, und kein Name in der Welt ist dem seinigen an die Seite zu 
stellen. Ihm ist erlaubt, Kaiser abzusetzen und Unterthanen von der Pflicht gegen 
Realienbuch. B. 2
	        
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