Full text: Prosa für die zweite und erste Klasse (Teil 3, [Schülerband])

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hinter den Flügeln wollig weiß behaart (Andrena) in und an den Kätzchen umher 
und fegen unbewußt den gelben Staub mit ihren feinen Härchen von den geduldigen 
Blüten. Daß es wilde Bienen sind, zeigt zum Teil ihr eigentümliches Auftreten. 
Scheu und flüchtig umkreisen sie den Busch, fliegen pfeilschnell zwischen den Zweigen 
durch, bis sie endlich das auserkorene Plätzchen aufgefunden haben — ein Gebaren, 
das der fleißigen Arbeitsbiene, abgesehen vom Gepräge der Wildheit, viel zu zeit¬ 
raubend dünken würde. Mutter Hummel, die gelb und weiß bandierte, brummt 
ruhig ihren Baß dazwischen und läßt sich durch nichts stören. Sie hat ausgeschlafen 
unter dem kühlen Moosbett und ist eifrig bemüht, alles vorzubereiten, was dazu 
nötig ist, einem jungen Geschlechte, welches sie zu gründen gedenkt, das Dasein zu 
sichern. Besonders zahlreich und durch die mannigfaltigsten Arten und Formen 
vertreten ist das Volk der Fliegen. Leicht schweben von Zweig zu Zweig, von 
Blüte zu Blüte, mehr tändelnd als Nahrung suchend, die leicht beschwingten, gelb¬ 
fleckigen Schwebfliegen (Syrphus), denen ihre Puppenhülle zu eng ward, die als 
wahre Kinder des jungen Jahres die ersten warmen Strahlen der lebendigmachenden 
Sonne zum geflügelten Dasein hervorriefen. Die plumpere, darum aber nicht 
minder flüchtige Schlammfliege (Lri8ta1i8 teuax), die wir noch zuletzt im ver- 
wichenen Herbste als Beherrscherin der sparsamen Flora angetroffen hatten, ist 
auch schon da, aber nicht dieselbe von damals — diese hat der grausame Winter 
getötet —, sondern eine, welche es vorzog, lieber den Lenz als den Herbst zu 
genießen, dort unter dem übrigen Volke als vereinzelte zu verschwinden, als hier 
mit ihren Brüdern und Schwestern massenhaft vereint beinahe das ganze Fliegen¬ 
volk zu vertreten. Andere, unsern Stubenfliegen nicht unähnlich, größere und 
kleinere, sind bald hier, bald da, als wollten sie das übrige Geschmeiß glauben 
machen, sie dürften nirgends fehlen. Das schäbige Kleid, die zerfetzten Flügel 
verraten bei einem Teile derselben ihr Alter, sind redende Zeugen der schon 
erlebten Stürme. 
Plötzlich erscheint ein Gemeinschweber (Bombylius) mit hummelartig geformtem 
und behaartem Leibe; kein Härchen fehlt in der reichen Sammetdecke seines 
gedrungenen Körpers, und doch sitzen sie lose, daß ein Teil derselben bei der 
Berührung am Finger hängen bleibt. Er steckt seinen spießartig vorgestreckten 
Säugrüssel in eine Blüte, trompetet dabei wie eine Stechmücke und schwebt in der 
Weise wie unter den Schmetterlingen die Schwärmer, ohne sich niederzulassen, vor 
der Quelle seines Genusses. So plötzlich wie er kam, ebenso schnell ist er wieder 
verschwunden; denn unstät und flüchtig irrt er umher. Hier wieder lenkt eine kleine 
dunnleibige Schnabelfliege (Rhamphoniyia marginata) durch ihre nach hinten sehr 
erweiterten, breit und dunkel besäumten, fächerförmigen Flügelchen unsere Auf¬ 
merksamkeit auf sich. Wer sie näher kennt, weiß es, daß sie als Weibchen diese 
Auszeichnungen vor ihrem Männchen voraus hat. Sie steckt emsig umherkletternd 
chren senkrecht nach unten gerichteten Schnabel in die Blüten, um Honig zu schöpfen. 
Erschrocken prallt sie zurück; denn sie trifft auf ihren Wanderungen ein für ihre 
Persönlichkeit gar gewaltiges Tier. Ein großes Wespenweib sitzt mit krummem 
Rücken fest auf einer Stelle und nagt und beißt und reißt mit seinen scharfen 
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