Full text: Deutsches Lesebuch für Lehrer- und Lehrerinnen-Seminarien

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zu ertragen. Der alte Kaiser konnte noch streng bis zur Härte sein; selbst 
der junge Kaiser bebte vor dem Groll des Löwen, wie er seinen Vater zu 
nennen pflegte. Die eiserne Willenskraft, die Otto schon in seiner Jugend 
verriet, hat er bis an sein Ende bewahrt. Treu blieb ihm das Streben 
nach großen, würdigen Taten, das noch am Abend seines Lebens die 
Seele mit Jugendkraft erfüllte. Und auch jene edlen Gaben, die man 
schon im Jüngling pries, felsenfeste Treue gegen Freunde, Großmut 
gegen gedemütigte Feinde, blieben ein Schmuck seines Alters. Niemals 
gedachte er wieder eines Vergehens, wenn er es einmal verziehen hatte. Von 
seiner königlichen und kaiserlichen Würde hatte er die höchste Vorstellung. 
Die Krone, die er einzig und allein Gottes besonderer Gnade zu danken 
meinte, setzte er nie auf das Haupt, ohne vorher gefastet zu haben. Wer sich 
gegen seine Majestät erhob, in dem sah er einen Frevler an Gottes Gebot. 
Die Stadt Magdeburg, die Otto vor allen andern erhöht hatte und die 
ihn als ihren Gründer ansehen kann, hat sein Andenken schon von alters 
durch ein ehernes Standbild geehrt. In dem prachtvollen Dome der Stadt, 
der später erbaut ist, ruhen jetzt inmitten des hohen Chors die Gebeine 
des großen Kaisers nicht weit von der Ruhestätte der guten Königin 
Editha. Ein prunkloses Denkmal bezeichnet die Stelle, eine der denk¬ 
würdigsten in unserm Vaterlande, bei der gern der Wandersmann weilt. 
Da ruhen die Gebeine des einzigen deutschen Kaisers, dem Mitwelt und 
Nachwelt den Namen des Großen nicht verweigert haben. 
35. Rückkehr in die Heimat. 
Von Fr. Hölderlin (1770— 1813). 
Endlich kehr’ ich zurück an den Rhein, in die glückliche Heimat, 
Und es wehen wie einst zärtliche Lüfte mich an, 
Und das strebende Herz besänftigen mir die vertrauten, 
Friedlichen Bäume, die einst mich in den Armen gewiegt, 
Und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen 
Lehens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um. 
Seliges Land ! kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock, 
Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbste das Obst. 
Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge, 
Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt. 
Und wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn 
Steigen am dunklen Gebirg Festen und Hütten hinauf. 
Friedsam geht aus dem Walde der Hirsch ans freundliche Tagslicht, 
Hoch in heiterer Luft sieht der Falke sich um. 
Aber unten im Tal, wo die Blume sich nährt von der Quelle, 
Streckt das Dörfchen vergnügt über die Wiese sich aus. 
Still ist’s hier; kaum rauscht von fern die geschäftige ^Mühlp, 
Und vom Berge herab knarrt das gefesselte Rad. 
Lieblich tönt die gehämmerte Sens' und die Stimme des Landmanns, 
Der am Pfluge dem Stier lenkend die Schritte gebeut, 
Lieblich der Mutter Gesang, die im Grase sitzt mit dem Söhnlein, 
Das die Sonne des Mais schmeichelt in lächelnden Schlaf. 
Aber drüben am See, wo die Ulme das alternde Hoftor 
Übergrünt und den Zaun wilder Holunder umblüht, 
Da umfängt mich das Haus und des Gartens heimliches Dunkel, 
Wo mit den Pflanzen mich einst liebend mein Vater erzog,
	        
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