Full text: Lesebuch für katholische Volksschulen

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Mädchen sagte ihm ein Gedicht her, worüber er sich sehr freute. 
„Du hast deine Sache schön gemacht, mein Kind!" sagte der 
hohe, freundliche Herr. „Nun will ich dir aber auch eine Frage 
vorlegen. Wohin gehört das?" fragte er und zeigte dem Kinde 
eine Apfelsine. „In das Pflanzenreich," erwiderte schüchtern das 
Mädchen. „Wohin nun das?" fragte der Herr weiter und zeigte 
auf ein Goldstück. „Ins Mineralreich," war die Antwort. 
„Wohin gehöre ich denn, mein Kind?" war die dritte Frage. 
Freundlich blickte das Kind den König an und sagte: „Ins 
Himmelreich." — Da glänzte eine Thräne in dem Auge des 
Königs, und er hob das Mägdlein empor und küßte es. 
Rulemann Friedrich Eylert. 
47. Das betende Kind. 
Eine arme Witwe sprach eines Morgens zu ihren fünf un¬ 
erzogenen Kindern: „Liebe Kinder, ich kann euch diesen Morgen 
nichts zu essen geben! Ich habe kein Brot, kein Mehl, kein ein¬ 
ziges Ei mehr im Hause. Bittet doch den lieben Gott, daß er 
uns helfe; denn er ist reich und mächtig und sagt ja selbst: 
Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten. 
Der kleine Christian, der kaum sechs Jahre alt war, machte 
sich nüchtern und sehr betrübt auf den Weg in die Schule. Er 
kam an der offenen Kirchthür vorbei, ging hinein und kniete 
vor dem Altare nieder. Da er niemand in der Kirche sah, so 
betete er mit lauter Stimme: „Lieber Vater im Himmel, wir 
Kinder haben nichts mehr zu essen. Unsere Mutter hat kein Brot 
und kein Mehl mehr, nicht einmal ein Ei. Gieb uns doch was zu 
essen, damit wir samt unserer lieben Mutter nicht verhungern 
müssen. Ach ja, hilf uns! Du bist ja reich und mächtig; du kannst 
uns leicht helfen, und du hast es uns noch dazu versprochen!" 
So betete Christian in seiner kindlichen Einfalt und ging 
dann in die Schule. Als er nach Hause kam, erblickte er aus 
dem Tische ein großes Laib Brot, eine Schüssel voll Mehl 
und ein Körblein voll Eier. „Nun Gott sei Dank!" rief er 
freudig, „Gott hat mein Gebet erhört. Sag doch, liebe Mutter, 
hat ein Engelein dieses alles zum Fenster herein gebracht?" 
„Nein," sagte die Mutter, „aber Gott hat dein Gebet 
dennoch erhört. Als du am Altare betetest, kniete die Frau Amts¬ 
vorsteherin in ihrem vergitterten Kirchenstnhl. Du konntest sie nicht 
sehen; aber sie hat dich gesehen und dein Gebet gehört. Des¬ 
halb hat sie uns dies alles geschickt; sie war der Engel, durch 
den Gott uns geholfen hat. Kinder, so danket denn alle Gott, seid 
fröhlich — und vergeßt in eurem Leben nicht den schönen Spruch: 
Gott kann dich wunderbar erhalten, 
vertrau auf ihn und laß ihn walten." Chr. v. Schmid.
	        
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