Full text: Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen

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Kaffee, voll Keis und Pfeffer. Als er aber lange zugesehen hatte, 
fragte er endlich einen, der eben eine Kiste auf der Achsel heraus¬ 
trug, wie der glückliche Mann heisse, dem das Meer alle diese 
Maren an das Land bringe. „Kannitverstan!“ war die Ant¬ 
wort. Da dachte er: „Haha, schaut’s da heraus? Kein Wunder! 
Wem das Meer solche Reichtümer an das Land schwemmt, der 
hat gut grosse Häuser in die Welt stellen und Tulipanen vor die 
Fenster in vergoldeten Töpfen.“ 
Jetzt ging er wieder zurück und stellte eine recht traurige 
Betrachtung bei sich selbst an, was für ein armer Mensch er sei 
unter so vielen reichen Leuten in der Welt. Aber als er eben 
dachte: „Wenn icffs doch nur auch einmal so gut bekäme, wie 
dieser Herr Kannitverstan es hat!“ kam er um eine Ecke und 
erblickte einen grossen Leichenzug. Vier schwarz vermummte 
Pferde zogen einen ebenfalls schwarz überzogenen Leichenwagen 
langsam und traurig, als ob sie wüssten, dass sie einen Toten in 
seine Ruhe führten. Ein langer Zug von Freunden und Be¬ 
kannten des Verstorbenen folgte nach, Paar an Paar, verhüllt in 
schwarze Mäntel und stumm. In der Ferne läutete ein Glöcklein. 
Jetzt ergriff unsern Fremdling ein wehmütiges Gefühl, das an 
keinem guten Menschen vorübergeht, wenn er eine Leiche sieht, 
und er blieb mit dem Hut in den Händen andächtig stehen, bis alles 
vorüber war. Doch machte er sich an den letzten vom Zuge, 
der eben in der Stille ausrechnete, jwas er an seiner Baumwolle 
gewinnen könnte, wenn der Centner um zehn Gulden aufschlüge, 
ergriff ihn sachte am Mantel und bat ihn treuherzig um Ent¬ 
schuldigung. „Das muss wohl auch ein guter Freund von Euch 
gewesen sein,“ sagte er, „dem das Glöcklein läutet, dass Ihr so 
betrübt und nachdenklich mitgeht?“ „Kannitverstan!“ war die 
Antwort. 
Da fielen unserm guten Tuttlinger ein paar grosse Thränen 
aus den Augen, und es war ihm auf einmal schwer und wieder leicht 
ums Herz. „Armer Kannitverstan!“ rief er aus, „was hast du nun 
von all deinem Reichtum? Was ich einst von meiner Armut 
auch bekomme: ein Totenkleid und einen Leichenschrein und von 
all deinen schönen Blumen vielleicht einen Rosmarin auf die kalte 
Brust oder eine Raute.“ Mit diesen Gedanken begleitete er die 
Leiche, als wenn er dazu gehörte, bis ans Grab, sah den vermeinten 
Herrn Kannitverstan hinabsenken in seine Ruhestätte und ward
	        
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