Full text: Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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und Jungfrauen auf Gottes Wegen zu erhalten, Verlorene zu 
retten, Gefährdete zu bewahren, Kranke und Gebrechliche zu 
pflegen, Arme und Elende zu beglücken, und Männer wie Frauen 
für ihren Dienst auszurüsten." 
„Können Sie mir nicht einiges von ihren Werken erzählen?" 
fragte der Fuhrmann. 
„Gern!" war meine Antwort. „Mit den K l e i n st e n will ich 
anfangen! In K r i p p e n werden arme Säuglinge großer Städte 
vor frühem Tode oder langem Siechtmn geschützt. Früher wurden 
sie meist gewissenlosen Wartefrauen gegen eine billige Entschädi¬ 
gung zum Aufziehen übergeben, kamen aber meistens elend um." 
„Warum heißen die Anstalten Krippen?" fragte mein 
Fahrgenosse. 
„Von der Krippe des Jesuskindes in Bethlehem!" antwortete 
ich. „Die erste derartige K l e i n k i n d e r - B e w a h r a n st a l t 
richtete der Stadtrat M a r b e a u (spr. Marbo) in Paris 1844 ein. 
Für 3—6jährige Kinder sind die W a r t e s ch u l e n oder K i n d er¬ 
be w a h r a n st a l t e n da. Arme Leute müssen von früh bis spät 
an die Arbeit und wissen oft nicht, was sie mit ihren kleinen Kindern 
anfangen sollen. Sie lassen sie meist in den Betten liegen oder 
schließen sie in Stuben ein. Da kriechen sie nackt, schmutzig, hungrig 
und weinend auf dem Boden umher oder suchen aus dem Fenster 
zu sehen. Wie leicht kann da ein Unglück gescbehen, und das Kind 
an Leib und Seele Schaden nehmen! In den W a r t e s ch u l e n 
finden die armen Kleinen umsonst oder gegen eine kleine Entschädi¬ 
gung eine sichere Unterkunft, Nahrung, Pflege, Spiele und Er¬ 
ziehung." 
„Ja, ja!" rief der Fuhrmann. „In Orschel ist eine solche 
Kinderbewahranstalt. Die Schwestern pflegen wie Mütter die 
armen Kinder, lassen sie spielen und arbeiten, singen und beten, 
zeigen ihnen Bilder und erzählen ihnen hübsche Geschichten. Mit 
leichtem Herzen können die Eltern an ihre Arbeit gehen. Wer hat 
denn wohl diese gute Einrichtung ausgebracht?" 
Ich antwortete: „D i e e r st e W a r t e s ch u l e gründete 1779 
der Pfarrer O b e r l i n in S t e i n b a ch. Die beste Helferin des 
trefflichen Mannes bei der Kinderpflege war die treue Magd 
Luise S ch e p p l e r. Ein besonderer Zweig der Kleinkinderschulen 
sind die Kindergärten, die auf den Schulunterricht zweck¬ 
mäßig vorbereiten sollen. Den ersten Kindergarten gründete 
Friedr. Fröbel (j-1862) zu Blankenburg am Thü- 
ringerwalde. 
Besonders wichtige Schöpfungen der christlichen Liebe sind die 
W a i s e n h ä u s e r. . Welches Unglück für ein Kind, wenn es schon 
früh die Eltern verliert! Das Waisenhaus soll ihm dann das 
Elternhaus ersehen, ihm Liebe und Pflege, Erziehung und Vor¬ 
bereitung für das Leben gewähren. Wie schlimm war es damit in 
alten Zeiten bestellt! Wie viele Waisen verkamen in Hunger und 
Elend, in Sünde und Schande! Da erbarmten sich fromme Männer 
Schanz?, Lesc-bnch, 12. Ansl.
	        
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