Full text: Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen

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übrig, um dem zweiten Heere die Vernichtung des ersten 
zu melden. 
Das Hauptheer hatte sich unterdessen an den Ufern der 
Saale fortgezogen und belagerte Merseburg. Der Graf 
Wido befehligte in der Stadt, vertheidigte sie muthig und 
wies jeden Sturm zurück. Indeß wuchs die Noth von Stunde 
zu Stunde in der beängstigten Stadt. Die Weiber weh¬ 
klagten durch die Straßen, und die Kinder jammerten um 
die gefallenen Väter. Da beschloß Graf Wido einen Aus¬ 
fall zu wagen. Er gelang, und die Ungarn verwandelten 
die Belagerung in eine bloße Einschließung. Jetzt erwartete 
man mit Ungeduld den König Heinrich mit feiner Armee. 
Dieser hatte durch seine Länder ein Aufgebot erlassen und 
befohlen, bei Verlust der Freiheit und der Ehre auf dem 
Kampfplatze zu erscheinen. Zum Versammlungsort hatte er 
Magdeburg bestimmt. Er selbst war nicht wohl, er hatte 
sich durch Erkältung und Anstrengung ein Fieber zugezogen; 
er war daher sehr schwach und matt, und die Aerzte hatten 
ihm jede geistige und körperliche Anstrengung untersagt Er 
aber konnte sich nicht entschließen, den Oberbefehl einem 
Andern zu übergeben und sagte zu seinen Söhnen: „Es ist 
jetzt nicht Zeit, krank zu sein. Gott wird mir zu den ent¬ 
scheidenden Augenblicken Kraft geben, und wenn er dann 
die Kraft von mir nimmt, nachdem die Freiheit errungen, 
so ist der Gewinn doch groß genug, um einige Jahre des 
Lebens dafür hinzugeben." Hierauf setzte er sein Heer in 
Bewegung und marschirte nach den Ebenen von Merseburg, 
um zur rechten Zeit als Netter in der Noth zu erscheinen. 
Unterließ hatten verwundete Flüchtlinge der Hunnen die 
Nachricht von der Vernichtung des zweiten Heeres bei 
Sondershausen in das Lager ihrer Landsleute gebracht 
und auf der einen Seite zwar Muthlosigkeit verbreitet, auf 
der andern aber das Gefühl der Rache noch stärker ange¬ 
regt. Es war ein Vertilgpngskrieg^wo jeder Einzelne auf 
Leben und Tod kämvfte. 
Bei dem Dorfe Keuschberg, zwei Stunden von Merse¬ 
burg, erfolgte die Hauptschlacht. Den Tag vor derselben 
kamen noch aus dem südlichen Deutschland 20,000 Mann 
Oesterreicher, Baiern und Franken, die in Eilmärschen 
herangerückt waren, unaufgefordert und freiwillig zu 
Heinrichs Hülfe herbei. Voller Freude sagte er die 
Worte: „Daran erkenne ich meinen Gott, der keinen
	        
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