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Gerichtshofes war in ganz Griechenland berühmt. Aber nicht nur dem
öffentlichen, sondern auch dem Privatleben der Athener wollre Solon
eine heilsame Umgestaltung geben. Darum sorgte er vor allem für die
Erziehung der Jugend, die nicht nur körperlich (wie in Sparta), son¬
dern auch geistig ausgebildet werden sollte. Die Jünglinge wurden in
der Dichtkunst, in Beredsamkeit und Weisheit (Philosophie), so
wie auch, um ihren Schönheitssinn auszubilden, in der Musik und
Malerei unterrichtet.
So vortrefflich diese Gesetzgebung auch war, so hielt sie Solon,
der sich auch hierin viel weiser zeigte als Lykurg, dennoch nicht für
unverbesserlich. Er ließ die Athener schwören, daß sie seine Gesetze,
die in hölzerne Walzen eingegraben wurden, 10 Jahre unverändert
beibehalten wollten, und begab sich dann aus weite Reisen, u. a. zum
reichen Krösus in Lydien.
6. Sokrates.
C400 v. Chr.)
Er war der Weiseste unter den Griechen. Sein Vater war
Bildhauer, und er selbst trieb eine Zeit lang diese Kunst; doch seine
liebste Beschäftigung war es, Jünglinge zu unterrichten. Sokrates
lebte äußerst mäßig; er aß und trank nur das Allergewöhnlichste, trug
einen Mantel von gewöhnlichem Zeuge, ging immer barfuß und konnte
ohne Beschwerde eine Nacht wachen. Sein Grundsatz war: nichts
bedürfen ist göttlich, und am wenigsten bedürfen nähert der
Gottheit am meisten.
Hatte er s'ch durch Laufen, Ringen und andere Leibesübungen er¬
hitzt und kam an einen Brunnen, so trank er nicht sogleich, sondern
füllte mehrmals einen Eimer und goß ihn langsam wieder aus, theils
um seiner Gesundheit nicht zu schaden, theils um sich in der Beherr¬
schung seiner Begierden zu üben.
Seine Frau, Lantippe, war oft übler Laune und dann sehr zän¬
kisch. Eines Tages war sie wieder sehr böse und schalt tüchtig auf ihn.
Er aber blieb ganz gelaffen. Da sie immer heftiger ward, stand er
endlich auf und ging fort. Dies erbitterte sie noch mehr. Sie nahm
ein Gefäß mit Wasser und goß es ihm durchs Fenster nach. „Ich
dachte es wohl/ sagte Sokrates, „auf ein Donnerwetter pflegt ein
Regen zu kommen."
Einst beschwerte sich ein Athener über die Mühseligkeiten einer Fu߬
reise, die er so eben gemacht hatte. „Hat dir dein Sklave folgen
können?" fragte Sokrates. „O ja." — „Trug er etwas?" — „Ein
großes Bündel." — „Der ist wohl recht müde?" — „Nein, ich habe
ihn sogleich wieder mit einem Auftrage fortgeschickt." — „Siehe," sagte
Sokrates, „du hast vor deinem Sklaven Vorzüge des Glückes; er hat
vor dir Vorzüge der Natur."
Sokrates grüßte einen vornehmem Bürger auf der Straße, der ihm
nicht dankte, sondern stolz vorüberging. Die jungen Freunde des Weisen