Lesebuch für die Mittelklassen" in dem unmittelbaren Anschau¬
ungskreise, der Gemeinde, sich in seinen Verhältnisen zur Natur und
Menschheit hinlänglich orientiren gelernt hat, soll es nun in dem „Lehr- und
Lesebuch für die Oberklassen" von diesem kleinen Kreise aus,,und an
ihn anknüpfend, zunächst seinen geistigen Gesichtskreis erweitern zur Übersicht
über das Vaterland. Nichts ist natürlicher, als daß die Geographie
des Vaterlandes hier als die Grundlage, die Nr. I. alles weiteren Un¬
terrichts erscheint; denn die folgenden Theile desselben ruhen auf ihr und wer¬
den durch sie in naturgemäßer Weise zusammengehalten, was sich um so
vorteilhafter erweist, als leider in den meisten Volksschulen Schüler zahl,
Lehrkraft und Zeit zu der Masse der einzelnen Fächer der sogenann¬
ten „gemeinnützigenKenntnisse, der Realien", m so gar argem Mißverhält¬
nisse stehen, daß unmöglich jedes dieser Fächer einzeln mit lohnendem Er¬
folge betrieben werden könnte. Und eben diesem Übelstande soll in dem vor¬
liegenden Lehr- und Lesebuche durch eine organische Combination dieser
einzelnen Fächer zu einem einzigen Lehrgegenstand: der VaterlandS-
und Weltkunde auf geographischer, räumlicher Grundlage, begeg¬
net werden. Ist nämlich unter Nr. I. des I. Abschnittes eine räumliche Über¬
sicht über das Vaterland gewonnen, so entsteht naheliegend die Frage nach dem,
was der neuüberblickte Raum, der Boden (außer den Menschen) trägt,
hervorbringt und birgt; es folgt sonach: II. die Natur des Vaterlan¬
des. Hieran schließt sich: III. das Vaterland und seine Bewohner
(die Deutschen), und nachdem in dieser Unterabtheilung das Gegenwär¬
tige des deutschen Landes und Volkes vor den Augen des Kindes entrollt ist,
folgt demnächst natürlich die Frage nach dem Vergangenen, wie es in
früheren Zeiten im Vaterlande war; darum zum Schlüsse: IV. Geschich¬
ten aus der Geschichte der Deutschen.
Ganz auf dieselbe Weise entstehen in dem II. Abschnitt: „die Evde" die
Unterabtheilungen I. Die Erdtheile. II. Die Natur der Erde. III. Die
Erde und ihre Bewohner (die Menschheit). IV. Geschichten aus
der Geschichte der Menschheit.
Der III. Abschnitt: „die Welt" enthält: I. die Weltkörper. II. Un¬
ser Sonnensystem. III. Das Weltall (Universum). IV. Betrachtung
über das Kleinste und Größte im Weltall.
Der IV. Abschnitt: „dev Mensch" zerfällt in die Unterabtheilungen:
I. Der Körper des Menschen. II. Die Sinne des Menschen. III. Die
Seele des Menschen. IV. Der Mensch und seine Bestimmung — Gott.
Den Schluß eines jeden Abschnittes bilden auf den Inhalt desselben be¬
zügliche Lieder *).
Schon aus diesen Haupt-Überschriften ist ersichtlich, daß der Unterricht
grundsätzlich nicht allein vom Einfachen zum Zusammengesetzten, son¬
dern auch vom Leichtern zum Schwerern fortschreitet und zwar Letzteres,
indem er allmählich vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, vom Körper¬
lichen zum Geistigen, vom Sinnlichen zum Sittlichen hinüberführt
Was nun das Lehrversahren hinsichtlich des weltkundlichen Ünter-
richts anbetrifft, so kann selbstredend nicht gemeint sein, daß die bezüglichen
Lektionen bloß gelesen werden sollen; denn so wie man Kinder durch bloßes
Dociren stumpf, ja geistig todt machen kann, so nicht minder durch
bloßes Lesen und wieder Lesen dessen, was sie nicht durch Vorherge¬
gangenes und aus dem Zusammenhange alsbald verstehen. Die
Grundlage, das erste Bedingniß geographischer Erkenntniß, ist die klare,
innere Anschauung ves Raumes. Diese kann aber — so weit sie über
den unmittelbaren Anschauungskreis hinausgeht — keineswegs durch bloßes
Lesen, sondern nur durch möglichst vielseitige Benutzung von Veranschau¬
lichungsmitteln gewonnen werden, durch das lebendige Wort des
*) Die Melodien zu sämmtlichen vorkommenden Liedern in dem Lesebuch für Ober¬
klassen und Mittelklassen, sowie zu den Liedern der Fibel sind in 2 Heften ä 3 Sgr.
in der G. D. Bädeker'schen Verlagshandlung erschienen.