Full text: Lesebuch für die reifere weibliche Jugend

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andacht habe ich zudem Ihrer besonders gedacht und den lieben 
Gott um Besserung für Sie gebeten. Der gestrige Tag war so 
schwer für Sie!" 
Ein freundlicher Blick ist der Dank der Kranken für die liebe¬ 
volle Sorge der Pflegerin. 
So geht Schwester Elisabeth von einem Bett zum andern, 
das Herz voll warmer Teilnahme. Bald hat jede der Kranken, 
die ihrer Pflege anvertraut find, ein ermutigendes Wort von 
ihr erhalten. Dabei hat sie mit Hilfe des Thermometers die 
Temperatur der Kranken festgestellt und auf der Tafel vermerkt, 
die über jedem Bette angebracht ist. 
2. Schwester Elisabeth öffnet nun das Fenster, und die bal¬ 
samische Luft des schönen Maimorgens strömt in das Kranken¬ 
zimmer. Dann beginnt sie mit dem Aufräumen des Kranken¬ 
saales, einer Arbeit, die ihr im Anfang ihrer Berufstätigkeit 
wenig zusagen wollte. Glaubte sie damals doch, daß diese Arbeit 
ebensogut von Dienstboten verrichtet werden könnte: jetzt urteilt 
sie anders. Sie weif; nun, das; auch für diese einfache Arbeit die 
größte Sorgfalt nötig ist. Und an Sorgfalt läßt es die gute 
Schwester denn auch nicht fehlen: das müssen alle zugeben, die 
sie bei dieser Arbeit beobachten. 
„So gut wie Schwester Elisabeth versteh' ich's nicht zu 
machen," denkt manche Kranke. „Da bleibt ja kein Fleckchen des 
Fußbodens trocken, kein Stäubchen fliegt auf! Und wie oft sie 
den Eimer mit frischem Wasser füllt!" Sobald auch die Platten 
der Nachttischchen mit einem feuchten Tuche abgewischt und die 
Gläser, auf ihnen gereinigt worden sind, kommen die hilflosen 
Kranken selbst an die Reihe. Zunächst wird jede Kranke sorg¬ 
fältig gewaschen unb gekämmt: dann wird ihr Bett geordnet. 
Mit sanftem und doch festem Griffe bringt Schwester Elisabeth 
die Kranke in sitzende Stellung, schüttelt die Kissen auf und streicht 
glättend über das Bettuch. Ein Ausdruck des Wohlbehagens 
zeigt sich auf dem Gesichte der Kranken, wenn sie der stützende 
Arm der Schwester wieder in die Kissen sinken läßt. 
Aber nicht alle Kranken danken Schwester Elisabeth für so¬ 
viel liebevolle Fürsorge: an manchem Krankenbett wird sie wenig 
freundlich empfangen. 
„Sie haben mir den Verband gestern wenig gut angelegt. 
Schwester!" sagt da eine Frau in barschem Tone. „Sehen Sie 
nur, wie locker er sitzt!" 
„Ich will ihn sofort noch einmal anlegen," erwidert die ge¬ 
duldige Schwester. „Sie müssen dann aber versuchen, ruhiger zu 
liegen, sonst wird er sich bald wieder lockern." So versteht es 
Schwester Elisabeth, auch launenhafte Kranke zu befriedigen, in¬ 
dem sie diesen und jenen Handgriff noch einmal macht oder die 
Kranken in ruhigen Worten davon überzeugt, daß alles nach 
Vorschrift des Arztes ausgeführt fei. Freilich muß sie dabei oft 
Selbstüberwindung üben, denn Schwester Elisabeth ist von Natur
	        
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