140
79. Heinrich Schliemann.
zeigen. Durch ihn wurden in der Tat der griechischen Altertums¬
forschung ganz neue Wege erschlossen.
Im Jahre 1890 starb der ausgezeichnete Mann. Kurz vor
seinem Tode hatte ich mich an ihn gewandt um ihm mitzuteilen,
daß ich für meine Freunde einen Abriß seines vielbewegten Lebens
schreiben wolle; obwohl bereits schwer leidend, antwortete er mir
umgehend, sprach mir seine Freude über die Absicht aus und wies
mich auf eine Schrift hin, die er selbst einst über seinen Lebenslauf
verfaßt hatte. Man bekommt sie nicht leicht zu Gesicht, denn sie
ist in seinem großen und sehr gelehrten Werk über Troja enthalten
— drum will ich sie wenigstens auszugsweise wiedergeben. Sie
ist wahrlich recht geeignet zu zeigen, wie ein gesunder, tatkräftiger
Knabe trotz der größten Hemmnisse und unter den denkbar schwie¬
rigsten Verhältnissen sich zu einen: ganzen Mann emporringen
und, unbeirrt e i n Ziel im Auge, im reifen Alter in kaum gehoffter
Weise dies Ziel erreichen kann.
„Ich wurde," schreibt Schliemann, „am 6. Januar 1822 in
dem Städtchen Neu-Buckow in Mecklenburg-Schwerin geboren, wo
mein Vater Prediger war und von wo er 1823 in derselben Eigen¬
schaft an die Pfarrei von Ankershagen, einem in demselben Gro߬
herzogtun: gelegenen Dorf, versetzt wurde. Obgleich mein Vater
weder Sprachforscher noch Altertumsforscher war, hatte er ein
leidenschaftliches Interesse für die Geschichte des Altertums; oft
erzählte er mir mit warmer Begeisterung von den: tragischen
Untergang von Herkulanum und Pompej und schien denjenigen
für den glücklichsten Menschen zu halten, der Mittel und Zeit genug
hätte, die Ausgrabungen, die dort vorgenommen wurden, zu be¬
suche::. Oft auch erzählte er mir bewundernd die Taten der home¬
rischen Helden und die Ereignisse des Trojanischen Krieges und
stets fand er dann in mir einen warmen Verfechter der Sache
Trojas. Mit Betrübnis vernahm ich von ihm, daß Troja so gänzlich
zerstört worden, daß es ohne eine Spur zu hinterlassen vom Erd¬
boden verschwunden sei. Als der Vater mir dann einmal ein Bild
von Troja zeigte, mußte er mir erst erklären, daß dies nur ein er¬
fundenes Gemälde sei. Aber auf meine Frage, ob denn Troja
wirklich so dicke Mauern gehabt habe, wie sie auf jenem Bilde dar¬
gestellt waren, bejahte er dies. Vater, sagte ich darauf, wenn solche
Mauern einmal dagewesen sind, so können sie nicht ganz vernichtet
sein, sondern sind wohl unter den: Staub und Schutt von Jahr¬
hunderten verborgen. Nun behauptete er wohl das Gegenteil,
aber ich blieb fest bei meiner Ansicht und endlich kamen wir überein,
daß ich dereinst Troja ausgraben sollte.... Gott sei gedankt,
daß mich der feste Glaube an das Vorhandensein jenes Trojas in