19
29. Der Hänfling.
Ein Hänfling, den der erste Flug aus seiner Eltern
Neste trug, hub an, die Wälder zu beschauen, und wünschte
stch hier anzubauen. Ein edler Trieb; denn eigner Herd
lst, sagt das Sprichwort, Goldes wert.
Die stolze Glut der jungen Brust macht ihm zu
emem Eichbaum Lust. Hier wohn' ich, sprach er, wie ein
König. So hohe Nester gibt es wenig. Allein, als kaum
der neue Sitz vollendet war, traf ihn der Blitz.
Es war ein Glück bei der Gefahr, daß unser Prinz
un Hanfe war. Er kam, sobald es ausgewittert, und fand
die Eiche halb zersplittert. Da sah er mit Bestürzung ein,
er könne hier nicht sicher sein.
Mit umgekehrtem Eigensinn begab er sich zur Erde
hin und baut' im niedrigsten Gesträuche, scheu vor dem
Mißgeschick der Eiche. Doch bald gereut ihn dieser Rat,
als ihm das Vieh sein Nest zertrat.
Da baut' er sich das dritte Haus und las ein dunkles
Büschchen aus, fern von den Wolken in den Lüften, fern
von den Herden in den Triften; — ein Büschchen, das in
Nuhe liegt, da lebt er noch und lebt vergniigt.
Vergnügte Tage findet man, wenn man sie hier noch
finden kann, nicht bei dem Thron, nicht in den Hütten.
Kannst du vom Himmel es erbitten, so sei dein eigner
Herr und Knecht. Dies bleibt des Mittelstandes Recht.
Lichtwer.
20. Der Lade, der Pfau und die Schildkröte.
Es war ein grosser Garten, hatt’ einen reichen
Herrn, der drin hat aller Arten Gewächs und Tiere
geni. Es thäten Quellen springen und schöne Bäume
olühn, und bunte Vögel gingen lustwandelnd durch
das Grün.
, Da sprach der Pfau zum Raben : Dein rotes Stiefe-
kin sollt’ ich am Fusse haben, es muss verwechselt
sem. Als uns der Herr gewogen hervorrief aus der
Hacht, hast du dir’s angezogen, mir war es zugedacht.
Ich nahm von schwarzem Leder hier dieses aus Ver¬
sehn ; es passt zu deiner Feder, zu meiner will’s nicht
stehn; so palst nur mein Gefieder zum roten Stiefe-
2*