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man sich daneben einmal das Bild des in seiner stillen Zelle einsam
schreibenden Mönches vor die geistigen Augen zaubert — welch
ein Riesenunterschied! Kann sich wohl das sieghafte Fortschreiten
der Kultur seit den Tagen Gutenbergs in irgend einer Erscheinung
deutlicher widerspiegeln, als in der Presse unserer Tage!
Vor Jahren hat man den 500jährigen Geburtstag Johannes
Gutenbergs, des Vaters der schwarzen Kunst, festlich begangen; es
handelte sich in diesem Falle nicht um eine Gedenkfeier für den
einzelnen Menschen, sondern um ein Sieges- und Freudenfest der
Bildung, an dem die ganze gesittete Welt beteiligt war.
Das wird dir, lieber Schüler, jetzt, nachdem du einen Blick
in eine Druckerei hast tun dürfen, gewiß zum Bewußtsein ge¬
kommen sein. So nehmen wir denn Abschied von dieser Stätte
emsigen Wirkens, regsten Schaffens mit dem alten schönen Gruß
der Buchdrucker:
„Gott grüß' die Kunst!"
Nach Rehbein.
78. Alois Senefelder.
Gleichwie Gutenberg den Buchdruck nicht erst zu erfinden
brauchte, da er denselben schon vorfand, ebenso hat auch Senefelder
den Steindruck nicht erfunden, da dieser bereits vor Senefelders
Tätigkeit in Ausübung war. Und doch hat Senefelder eine Er¬
findung von solcher Bedeutung gemacht, daß wir ihn mit Recht
neben den großen Gutenberg stellen können.
Alois Senefelder war der älteste Sohn des bayerischen Hof¬
schauspielers Franz Peter Senefelder und wurde am 6. November
1771 in Prag, wo sein Vater vorübergehend angestellt war, geboren.
Da er Jurist oder Rechtsgelehrter werden sollte, studierte er an
der Universität Ingolstadt, mußte jedoch, als sein Vater 1791
starb, die Universität verlassen und zu seiner in München iu küm¬
merlichen Verhältnissen lebenden Familie zurückkehren.
Teils aus Vergnügen, teils in der Absicht, Geld zu verdienen,
versuchte sich Senefelder als Schauspieler und verfaßte auch einige
Theaterstücke. Um seine Arbeiten drucken zu lassen, besuchte er öfters
die Vuchdruckerei. Ich fand, so erzählt er in seinem Lehrbuch der
Steindruckerei, daß die Buchdruckerkunst für mich gar nicht so schwer
zu erlernen sein würde, und ich konnte dem Wunsche nicht wider¬
stehen, selbst eine kleine Druckerei zu besitzen. Da wirst du, dachte
ich, deine eigenen Geistesprodukte selbst drucken und so mit Geistes¬
und körperlichen Arbeiten gehörig abwechseln können. Diese Idee
nahm Senefelder so sehr ein, daß er allerlei Wege einschlug, sie
zu verwirklichen. Erst stach er Lettern vertieft in Stahl, um diese
Matrizen in Birnbaumholz einzuschlagen; dann kam er auf deu
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