Full text: Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen

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Me blickst du so fest auf den Strom, für den du so manche Lanze ge¬ 
brochen! „Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze!" so sprachst 
und schriebst du in trüber Zeit. Ja, wer nur die kleine Strecke von 
Mainz bis nach Bonn mit den Augen des Leibes oder auch nur des 
Geistes gesehen, der begreift, daß wir unsern Vater Rhein nie im Stiche 
lassen dürfen, „so lang ein Tropfen Blut noch glüht, noch eine Faust den 
Degen zieht und noch ein Arm die Büchse spannt." Ludwig ®c.h\n, 
22, Berlin, die deutsche Uaiserstadt. 
Berlin, die Hauptstadt des preußischen Staates und Residenz 
des Deutschen Kaisers, steht bei einer Bevölkerung von fast zwei 
Millionen an dritter Stelle unter den Städten Europas und ist zu¬ 
gleich einer der bedeutendsten Handels- und Jndustrieplätze Deutsch¬ 
lands. Keine große Stadt Europas hat jemals in so kurzer Zeit 
einen solchen Aufschwung genommen wie Berlin in den letzten 
Jahrzehnten. Dieses rasche Emporblühen dankt es vor allem der 
gewaltigen Entwicklung Preußens und Gesamtdeutschlands. Damm 
trägt Berlin, dessen Weichbild 63 km umfaßt, einen durchaus modernen 
Charakter. Ein reiches wirtschaftliches Leben durchflutet es; das zeigt 
uns ein Rundgang durch die Stadt, insbesondere durch die Leipziger 
Straße und Friedrichstraße mit ihren großen Geschäftshäusern, den 
prunkvollen Läden und dem großstädtischen Meuschengewühle. Die 
vornehmste Straße und der Brennpunkt des politischen Lebens der 
Kaiserstadt ist die Straße „Unter den Linden". 
Diese Straße ist von altersher der Stolz Berlins. Sie ist 
60 w breit und hat eine vierfache Reihe von Linden und Kastanien, 
die eine breite Promenade, Reit- und Fahrwege einschließen. Be¬ 
sonders lebhaft wird der Verkehr um die Mittagszeit und in den 
Nachmittagsstunden, namentlich an Sonn- und Feiertagen, oder wenn 
kaiserliche Wagen eine Auffahrt bei Hofe melden und Fürsten und 
Gesandte in ihren Prunkwagen dem Schlosse zujagen. Ein großartiges 
Bild zeigt die Straße, wenn sie sich im Festesglanze zeigt, wenn 
Tore und Häuser mit Fahnen und Kränzen geschmückt sind, wenn 
Ehrenpforten sich erheben und eine wogende Volksmenge jubelnd dem 
Einzug haltenden Herrscherpaare oder dem siegreich zurückkehrenden 
Heere ihre Glückwünsche entgegenbringt. So hielten 1864 hier ihren 
Einzug die Düppel- und Alsenstürmer und zwei Jahre später die aus 
Böhmen und vom Main heimkehrenden siegreichen Scharen. Die 
Krone solcher Einzüge war aber jener Ehrentag, als 1871 derselbe 
König, dessen Heere bei Düppel und Königgrätz gesiegt hatten, seine 
Hauptstadt als Deutscher Kaiser wiedersah, umgeben vom Kronprinzen 
Friedrich Wilhelm, von Bismarck und Moltke. Ein anderes Bild 
Zeigte der 16. März des Jahres 1888. Schwarzer Flor umhüllte die 
bunten Fahnen, und ein Trauerzug bewegte sich vom Kaiserlichen 
Schlosst nach Westen hin zum Brandenburger Tore. Von demselben.
	        
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