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männischer Aufsätze, arbeitete sich einen erdichteten Geschäftsgang aus, eröffnete
mit den verschiedenen Geschäftsfreunden desselben einen förmlichen Briefwechsel,
buchte alle erdichteten Geschäftsvorfälle nach dem doppelten italienischen Verfahren
und brachte so einen viele hundert Vogen umfassenden Briefwechsel, ein sich
darauf beziehendes Journal (Tagebuch) und ein Hauptbuch zustande. Diese Be¬
schäftigung trieb er so still für sich, daß kein Mensch etwas davon erfuhr. Selbst
solche Dinge, die scheinbar weit ablagen von dem, was dem Kaufmanne zu wissen
nötig ist, zog er mit klugem Bedacht in den Bereich seiner Studien; dazu gehörten
die Naturwissenschaften und innerhalb dieser wiederum namentlich die Chemie.
Je weiter und reicher sich infolge so ungewöhnlicher Anstrengungen
seine kaufmännische Bildung gestaltete, desto unabweisbarer stellte sich das Ver¬
langen ein, den bisherigen beschränkten Schauplatz seines Wirkens zu verlassen
und in ein großes Kaufmannshaus einzutreten. Zwar erhöhte ihm sein Prin¬
zipal den Gehalt auf das Doppelte; dies hielt indessen den strebsamen Commis
nicht ab, sich in einem langen Briefe, in dem er seine Wünsche und die
Geschichte seiner Vildungsbestrebungen vortrug, an den Chef der damals be¬
rühmten Sengewaldscheu Handlung in Magdeburg zu wenden und diesen zu
bitter:, ihn: versuchsweise die letzte Stelle auf seinem Comptoir anvertrauen zu
wollen. Sengewald erkannte aus den: Inhalt und Ton des Briefes, daß der
Briefsteller ein mehr als gewöhnlich befähigter junger Mann sein müsse, und
gab ihm vertrauensvoll die erste Buchhalterstelle in seinem Geschäft. Nathusius
war innig gerührt von diesen: Beweise des Vertrauens und fühlte sich über¬
glücklich, daß ihm sein Herzenswunsch so über alles Erwarten rasch und günstig
erfüllt war. Als er nun seinen Prinzipal von seinem Vorhaben in Kenntnis
setzte und um seine Entlassung einkam, meinte dieser achselzuckend und kopf¬
schüttelnd, er habe da in thörichter Selbstüberschätzung eine Stelle angenommen,
für die er durchaus nicht die Fähigkeit besitze; er wolle ihm jedoch seinen
Platz vier Wochen lang offen halten, damit er zurückkehren könne, wenn man
ihn in den: großen Magdeburger Hause, woran er gar nicht zweifle, nicht
würde brauchen können. Nathusius ließ sich, um den guten Mann zu beru¬
higen und darzuthun, daß er der Kunst des Buchhaltens hinreichend mächtig
sei, in derselben prüfen und bestand so vortrefflich, daß man ihm vorschlug,
man wolle ihn dem Ministerium als Amtsgehülfen empfehlen. Er trat nun
seine Stelle in: Sengewaldschen Geschäft an, wo er eine ganz neue Muster¬
ordnung einführte und sich in kurzer Zeit die unbedingte Zufriedenheit seines
neuen Prinzipals und die Achtung und Zuneigung seiner Mitarbeiter erwarb.
Noch einmal versuchte jetzt sein früherer Brotherr, ihn zurück zu gewinnen,
indem er ihn zun: Teilhaber machen und zum Erben seines Vermögens ein¬
setzen wollte, da er selbst kinderlos war. Nathusius lehnte dies ehrenhafte
Anerbieten dankend ab. — Bald ruhte die Leitung der Sengewaldschen Hand¬
lung fast ausschließlich in seinen Händen, und als Sengewald unvermutet starb,
fand sich's, daß er in seinem Testamente die Fortführung des Geschäfts nach
seinem Tode von der Bedingung abhängig gemacht hatte, daß Nathusius Teil¬
nehmer desselben werde Dies geschah, und Nathusius erhielt jetzt zum ersten
Male Gelegenheit, seine tüchtigen Fähigkeiten in freier Bethätigung zu er¬
proben. Anfcuigs bereitete ihm seine plötzlich so bedeutend gewordene Stellung
vielfache Sorge unv Not, aber er hielt sich wacker, arbeitete mit vollster
Hingebung und vermehrte den Kredit seines Hauses ebensosehr durch sein
gewandtes und liebenswürdiges Wesen und seine sparsame, sittenreine Lebens¬
weise, wie durch mancherlei glückliche Unternehmungen. Er versuchte sein