dachte jeder Teil der Deutschen, der andere Teil finge es ganz ver¬ 
kehrt an, um selig zu werden, und deshalb schlugen sie sich gegen¬ 
seitig tot. Und da sagten die Ausländer ringsherum, die Spanier, 
die Italiener, die Franzosen, die Schweden, ein jeder zu einer der 
deutschen Parteien: „Ihr habt ganz recht, daß ihr die andern Kerle 
totschlagt: das sind ganz nichtswürdige Kerle und richtige Höllen¬ 
braten; wir wollen euch helfen, sie totzuschlagen", und sie halfen 
wirklich, und das Totschlagen wurde im Dreißigjährigen 
Krieg so gründlich besorgt, daß von dem ganzen deutschen Volk 
nur ein Drittel, andre meinen — denn genau ist ja nicht nach¬ 
gezählt worden — nur ein Viertel übrig blieb, daß Städte und 
Dörfer leer standen, Felder wüst lagen, und alles, was an Schätzen 
dagewesen war, außer Landes geschleppt oder vernichtet war. Einige 
Leute meinen, daß noch jetzt das deutsche Volk im Ganzen nicht 
wieder so gut lebe, wie vor dem Dreißigjährigen Krieg. Nun, 
das ist schwer herauszubringen, aber gewiß ist, daß das deutsche 
Volk damals zum größten Teil zugrunde gegangen ist, und daß es 
eigentlich ein Wunder ist, wie es weiter leben und wieder groß 
werden konnte. 
Nun, ein Volk, das nicht sehr tüchtig wäre, hätte das niemals 
fertig gebracht. Aber erstaunlich ist es doch: viele Jahrhunderte 
hat dasselbe Volk im Mittelalter gelebt und gearbeitet und ge¬ 
kämpft, ohne recht vorwärts zu kommen, denn eigentlich ist es 
damals immer mehr rückwärts gegangen und schließlich war es 
nur noch ein Haufen von größeren und kleineren Ländern und 
Städten und Städtchen, die miteinander kämpften, also keinem 
andern Volk zu sagen hatten; und nachdem dies Volk im Dreißig¬ 
jährigen Kriege fast vernichtet war, da dauerte es gerade noch 
zweihundertzweiundzwanzig Jahre, eigentlich also für die Welt¬ 
geschichte eine recht kurze Spanne Zeit, da war das deutsche Volk 
eineinigesReich, das von vornherein zu den ersten Welt¬ 
mächten gehörte. 
Wie ist das gekommen? Ja, im neunzehnten Jahrhundert 
und auch jetzt noch glauben die meisten die für Zeitungen und für 
Bücher schreiben, daß eigentlich alles Gute von der Republik 
kommt und daß die Monarchie eine überlebte, eine mittelalterliche 
Einrichtung wäre, die über kurz oder lang einmal abgeschafft wer¬ 
den müßte. Wenn man sich aber überlegt, worin sich die Neuzeit 
vom Mittelalter unterscheidet und namentlich, wodurch Deutschland 
zur Einigkeit gekommen ist, dann sieht die Sache doch anders aus. 
Das Mittelalter war, namentlich in Deutschland, eigentlich die Zeit 
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