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Anhang.
Schandtat/ wcr's getan hat, wird vom Gpferfest und von der Volksversammlung
ausgeschlossen, und viele, die den Krieg überlebten, kamen über die Schande
nicht hinweg und endeten ihr Leben mit dem Strick.
c. 7. Wenn sie den König küren, fragen sie nach Adel (öie Geburt
gibt Anspruch), wenn sie den Herzog erheben, nach Tapferkeit. Doch steht
auch den Königen keine unbeschränkte, absolute Gewalt zu, und die herzöge
sind Vorbilder, keine Herren/ sie gebieten, weil man sie bewundert, wenn sie
entschlossen sind, sich auszeichnen und stets vor der Schlachtreihe sich tummeln.
. . . Tins treibt besonders zur Tapferkeit: nicht das Ungefähr, nicht zufälliges
Zusammentreten bildet die Schar oder den Keil, sondern Familien und Sipp¬
schaften/ in ihrer Nähe weilen ihre Lieben/ sie hören die Rufe der Frauen,
das Weinen der Kinder. Oie sind jedem heilige Zeugen, nach ihrem Lobe sehnt
man sich. Zu den Müttern und Frauen bringen sie ihre Wunden, die sind nicht
zimperlich, sie schrecken davor nicht zurück, sie zu zählen und zu untersuchen.
In den blutigen Kampf hinein tragen sie Speise und Mahnung.
0.8. Man liest es in den Geschichtsbüchern: wiederholt sind Heere, die schon
zum Rückzug sich wandten und schwer erschüttert waren, wieder mutig vor¬
gegangen, weil die Frauen eingriffen: sie baten unablässig, sie hielten die
Brust dem tötenden Schwert hin, sie wiesen weinend auf die nahe Knechtschaft,
die ihnen viel schwerer und unerträglicher erscheint, wenn sie die Frauen trifft:
sogar ein Bund, den ganze Stämme schließen, hält fester, wenn unter den Geißeln
auch vornehme Jungfrauen gestellt werden. Ja, sie glauben, daß etwas hei¬
liges und Prophetisches in ihnen wohne, sie verschmähen nicht ihren Rat und
verachten nicht ihren Spruch. Ich habe selbst die veleda sin Rom) gesehen,
als vespasian noch lebte und Kaiser war, die bei vielen fast für ein göttliches
Wesen angesehen wurde, doch auch vor alters schon haben sie die Albruna
(Drusus an der Elbe) und andre verehrt, sie wollten aber damit nicht schmei¬
cheln und nicht sie zu Göttinnen machen (wie die Römer das tun).
o. ll. Über minder wichtige Angelegenheiten beraten die Fürsten, über
wichtige die Landesversammlung (Landesding), doch findet auch über die
Fragen, über die die Entscheidung dem Volke zusteht, eine Vorberatung durch
die Fürsten statt. Sie treten, falls nicht unerwartet etwas Außerordentliches
vorfällt, an fest bestimmten Tagen zusammen, bei Neumond oder Vollmond;
denn diese Zeit gilt bei ihnen für die günstigste für den Beginn jeden Geschäftes.
Sie rechnen nicht nach Tagen wie wir, sondern nach Nächten: auf Nächte
schließen sie ab und sagen sie zu/ der Tag schreitet hinter der Nacht her. Das
aber ist ein Fehler, der ihrem Nnabhängigkeitstriebe entspringt: sie kommen
nicht in der gleichen Stunde und nicht als müßten sie, zusammen, sondern weil
alle saumselig sind, geht der zweite und wohl auch der dritte Tag verloren.
Wenn es der Menge behagt, lassen sie sich zum Ding nieder, im Waffen¬
schmuck. Schweigen gebieten die Priester, sie haben auch eine gewisse Straf¬
gewalt. Dann spricht der König oder ein Edelmann: die Reihenfolge bestimmt
Alter, Adel, Kriegsruhm, zuletzt erst Redegabe. Man folgt dem Rate und läßt
sich durch Befehl nicht zwingen. Mißfällt ein Vorschlag, so lehnen sie ihn mit
unwilligem Geschrei ab/ gefällt er, so schlagen sie die Frameen zusammen.
Der gesuchteste Beifall ist solch Waffenlob.
e. l2. Erlaubt ist es, vor dem Landtag auch anzuklagen und Prozesse
auf Leben und Tod anhängig zu machen . . . Weiter werden im Landesding
auch die Grafen gewählt, die im Gau und Dorf die Rechtsprechung leiten.
Jeden umgeben hundert Schöffen aus dem Volke/ sie schlagen das Urteil vor
und setzen die Strafe fest.
c. 13. Immer, wenn sie als Gemeinde und wenn sie einzeln tätig sind,
erscheinen sie im Waffenschmuck. Doch gestattet die Sitte Waffen anzu¬