Charakter-Vögel Südamerikas. 109
Sängers vermehrt wird. Man möchte um keinen Preis den
endlich Bemerkten töten, den sein einfaches braunes Gefieder
unter der Menge glanzvoller und vielfarbiger Tanagren und
Certhien leicht übersehen läßt. Die Peruaner nennen ihn den
Organisten oder Flötenspielers; in Lima spricht man von
ihm als einem der merkwürdigsten Bewohner der unbekannten
Wälder im Osten, und die ältesten Beschreiber dieser Gegenden
erwähnen ihn mit Bewunderung.
3. Paarweise lassen die großen, goldgrüueu Araras der
Anden (die größten der laugfchwänzigen Papageien) des Morgens
sich ans den großen Waldbäumen nieder, oder fallen wohl in
Flügen auf die hochroten Erythrinen und gelben Tachien nieder,
deren Blüten sie gern verzehren. Furchtbar ist ihr Geschrei,
allein die List lehrt sie seine Gefährlichkeit kennen, wenn sie
die Plünderung eines reifen Maisfeldes beginnen: dann be-
zwingt jeder seine Neigung zum Lärmen, und nur unterdrückte,
murrende Laute sind hörbar, während das Werk der Zerstörung
unglaublich rasch vorschreitet. Nicht leicht vermag der Jäger
oder erbitterte Indianer die schlauen Diebe zu beschleichen, denn
stets bleiben ein Paar der ältesten als Wachen auf den höchsten
Bäumen ausgestellt. Bei dem ersten leichten Warnungszeichen
antwortet ein allgemeiner halblauter Ruf der gestörten Räuber,
bei dem zweiten Krächzen entflieht unter betäubendem Geschrei
der ganze Haufe, nur um nach der Entfernung ihres Feindes
ihre verderbliche Thätigkeit aufs Neue zu beginnen. Viel stellt
ihnen der Indianer nach; denn teils gilt das Fleisch für ge-
meßbar, teils find die Federn zum phantastischen Schmucke ge-
sucht, den jeder bei festlichen Prozessionen anlegt. In lange
vergangenen Zeiten brachten die Bewohner der wärmeren Wald-
gegenden den Jnkas die Federn des Araras als Tribut zur
Schmückung ihrer Paläste.
4. Einer der schönsten Vögel der neuen Welt ist das Herr-
lich orangefarbenes Klippenhuhlt, dessen Kops mit einem
helmartigen Federbusche geschmückt ist. Seine Heimat ist Guiana
1) Die Farbigen nennen ihn Bell-bird. „Kein Gesang, keine
Stimme eines der gefiederten Bewohner der Wälder Guianas, selbst
nicht die so deutlich ausgesprochenen Worte der Ziegenmelker, haben
mich in ein gleiches Stauneu versetzt, wie die Glockentöue des ßell-
bird. Daß die Vögel in Guiana die Gabe der Sprache haben, hatte