Full text: Meister Bindewald als Bürger

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aus den Weg zum Glück zu betreten und die Vorbilder zum wahren 
Lebenswandel mit fortzunehmen. So war es der Fall bei unsern 
beiden Brüdern. Aber es gibt leider auch so manchen, der unter 
traurigen Verhältnissen aufgewachsen ist und edle Sitte und rechte 
Zucht im Vaterhause nicht gefunden hat. ver muß dann darnach 
streben, sich von all den Einflüssen, die er als verderblich kennen 
gelernt hat, frei zu machen und die Lahnen einzuschlagen, die zu 
Rechtlichkeit und Tugend leiten, kvohl ihm, wenn er draußen 
in der Welt treue und wohlmeinende Führer findet! 
Wilhelms Ziel war Selbständigkeit. Oskar hatte oft ausge¬ 
sprochen, daß Dienen noch kein rechter Deutscher als einen 
Leidenszustand empfunden hat. Dienen in Treue bringt Ehre. 
Wenn jedem treuen Wanne von dem Berufenen die rechte Aner¬ 
kennung wird, so ist viel Unzufriedenheit aus der Welt geschafft. 
Auf ihrer weiten Fahrt durch die Welt hatten sie den Pfad 
manches Schulkameraden gekreuzt. Fast alle, die einst mit ihnen 
den letzten Schulunterricht beim alten Oberlehrer genossen hatten, 
waren tüchtige und charaktervolle Männer geworden. Sie tauschten 
Erinnerungen und Berichte aus und machten Pläne. 
„Sieh, die Gegend wird hügelig, wir sind in Schlesien!" jauchzte 
Wilhelm. Der Zug durchfuhr die Vorstationen und „Da steht der 
Vater mit der Schwester!" War das ein Zubel daheim, als die Mutter 
die stattlichen Männer, einst ihre „Zungen", wieder am Tische hatte. 
Wilhelms Entschluß war bald ausgeführt. Er trat zunächst 
beim Vater als Geselle ein, machte ein vielbewundertes Meisterstück, 
und ein halbes Jahr später stand neugemalt über der Tür: 
Lindewald & Sohn, Tischlermeister. 
Die geschmackvollen Möbel, welche die neue Firma lieferte, 
erregten Aufsehen, und es fehlte nicht an Aufträgen. Immer 
mehr Gesellen mußten angestellt werden. Nach Jahr und Tag 
erhob sich eine geräumige Werkstatt den Gartenzaun entlang, in 
der elektrische Rraft von der Zentrale Hebel und Näder bewegte. 
Rlug wußte der junge Meister an Rohstoff zu sparen. Wenn 
er mit ruhiger Führung die schönen Formen zeichnete, fand er 
immer heraus, wie die Abschnitte noch bei anderen Stücken ver¬ 
wendet werden konnten. Einen großen Fortschritt machte das
	        
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