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hören in allen Räumen ihres Hauses herumwandelt, bald hinab
zu dem Keller, bald zum Speicher des Oberbodens steigt, ¡um
ahe die Ihrigen mit dem, was ihnen Noth thut, zu versehen,
strömt das Wasser der Erde in den Flüssen und Bächen hinab
zu dem Meere, steigt von da nach kurzem \erweilen als
Dampf hinauf in die Luft, träufelt als Thau, ergieszt sich als
Degen über das durstende Land, sammelt sich auf dem kühlen
Gebirge oder auf dem waldigen Hügel zum Quell oder Bach
und rinnt, indem er seine nährenden Gaben rings umher ver¬
theilt, von neuem hinab zur Tiefe. Das Wasser folgt dem
Bergmanne nach in seine Gruben, wie dem Kristallgräber auf
seine kahlen Berghöhen; denn ebenso wie die Luft allenthalben
ins Wasser eindringt und mit diesem sich vermischt, so drängt
sich das Wasser in luftiger Gestalt in die Atmosphäre ein und
gibt den Alpenpflanzen und Moosen des Hochgebirges in solcher
Fülle zu trinken, dasz kaum die Mittagssonne die perlenden
Dropsen hinwegnimmt. Nur da, wo kein Kraut mehr gedeihen,
wo kein durstendes Leben sich mehr erhalten kann, in den
kalten Höhen, dahin sich nur Luftschiffer und kühne Gebirgs-
hesteiger erheben, scheint das Wasser seiner hausmütterlichen
Mühen und Sorgen entbunden, dort kommt es nur wenig hin,
die Luft ist da wasserleerer als anderwärts.
Wasser gibt es freilich viel auf Erden, denn mehr als
drei Viertheile ihrer Oberfläche sind vom Meere bedeckt, und
Ströme wie Seen und Sümpfe finden sich in den verschiedenen
Welttheilen und Ländern in groszer Zahl. Dennoch kommt
dieses wolthätige Element den Landthieren, die nach ihm
dürsten, nicht so von selber entgegen, wie die Luft, die sie
athmen, sondern es musz von ihnen oft in weiter Ferne und
mühsam aufgesucht werden. Denn das dampfförmige Wasser,
das in der Luft schwebt, stillt ihren Durst nicht, und das
salzige Wasser des Meeres, welches ihn nur vermehren würde,
ist meist für sie ungenieszbar. Aber dazu hat der Vogel seine
Flügel, das vollkommnere Landthier seine rüstigen Füsze
empfangen, dasz es mit Hilfe derselben das aufsuchen kann,
was ihm fehlt. Die Herden der schnellfüszigen afrikanischen
Gazellen ziehen von einem Landstrich zum andern, dem Regen¬
gewölk nach, wenn dieses jetzt hier, dann dort seine Segens¬
fülle ergieszt, und jeden Morgen wie jeden Abend finden sie
von der fernen Weide her am Tränkplatze sich ein.
Viel anders als bei den Thieren verhält es sich bei den
Gewächsen des Landes. Diese können nicht von ihrem Orte
hinweg, um nach dem Wasser zu suchen; sie müssen es
abwarten, bis dieses ihnen selber entgegenkommt. Und dennoch
bedürfen sie des Wassers noch viel mehr als die Thiere.
Denn diese finden zum Theil schon in ihrem Futter Säfte, die
ihren Durst zu stillen vermögen, der Raubvogel im frischen
Fleisch und Blut der erbeuteten Thiere, der Stier und die