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IV. Bilder aus der Erdkunde,
250. Rudolf von Habsburg. (1273—1291.)
Von 1250 bis 1273 hatte das deutsche Reich keinen Kaiser. Da gab
es weder Gesetz noch Recht im Lande. Der Starke fiel über den Schwachen
her und nahm ihm Hab und Gut, ja, wohl gar das Leben. Es war nie¬
mand da, der den Übelthäter strafte und den Schwachen beschützte; ein jeder
war auf sich selbst angewiesen. Noch nie hatte das Land so schwer unter
dem Drucke des Faustrechts geseufzt.
In dieser wilden Zeit trieben auch die Raubritter ihr Unwesen. Von
ihren festen Burgen herab fielen sie mit ihren Knechten über die Reisenden
her, plünderten die Wagen der vorüberziehenden Kaufleute und führten diese
selbst in das Burgverließ, aus dem sie nur gegen ein hohes Lösegeld wie¬
der entlassen wurden. Auch der Landmann hatte viel von ihnen zu erdulden.
Sie entführten ihm nicht selten das Vieh von der Weide oder aus dem
Stalle, mähten ihm in der Nacht das Getreide ab, nahmen ihm sein Haus¬
gerät und steckten dann, um sein Elend voll zu machen, auch sein Haus in
Brand. Das nannten sie auspochen. Hilflos sah der Bauer ihrem
wüsten Treiben zu, denn er wußte nirgends Recht zu finden. Zuweilen thaten
sich sogar mehrere Raubritter zusammen, um mit ihrer Mannschaft die Städte
zu überfallen; dann blieb den Städtern nichts anderes übrig, als gegen die
feindliche Burg zu ziehen, sie zu erstürmen und abzubrechen. Geriet dabei
ein Raubritter in Gefangenschaft, dann war ihm ein schrecklicher Tod gewiß.
Endlich erwählten die deutschen Fürsten den Grafen Rudolf von Habs¬
burg (im Aargau in der Schweiz) zu ihrem Kaiser. Er war nicht reich an
Land und Leuten, aber seine Tapferkeit und Frömmigkeit waren allgemein
bekannt und lenkten die Wahl aus ihn. Seine Krönung wurde zu Aachen
mit großem Jubel gefeiert.
Denn geendet nach langem, verderblichem Streit
war die katserlose, die schreckliche Zeit,
und ein Richter war wieder auf Erden.
Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,
nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr,
des Mächtigen Beute zu werden.
Bei der Krönung war das Scepter nicht sogleich zur Hand; schnell
ergriff Rudolf das Kruzifix und sprach: „Dies Zeichen, durch das die
Welt erlöst ist, mag uns wohl als Scepter dienen." Rudolf hütete sich wohl,
sich mit dem Papst in einen Kampf einzulassen; er bestätigte vielmehr alle
Besitzungen und Rechte der Kirche und verzichtete auf alle Einmischung in
die italienischen Angelegenheiten. Die römische Kaiserkrone hat er nie ge¬
tragen. Er verwandte alle Kraft auf Deutschland, um Ordnung und Ruhe
im Reiche wiederherzustellen und sich eine Hausmacht zu gründen.
Während alle Fürsten Rudolf als König anerkannten, hatte sich bis