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Überblick der Dichtungsarten.
Anm. 2. Die Fabel wurde nach den griechischen und lateinischen Vorbildern (Äsop, Phädrus),
aber auch selbstständig sehr srühe von den Deutschen bearbeitet. Zu nennen sind aus der älteren
Zeit: Der Stricker (13. Jahrh., seine Fabeln, genannt die Welt, haben noch zu viel vom
Thierepos an sich), der Schweizer Ulrich Boner (um 1300, entlehnt seinen Stoff meist aus
Asop), Gerhart von Minden (im 14. Jahrh., schrieb auch plattdeutsch), Burkhard
W a l d i s (f um 1555) und Erasmus Alberus (f 1553), aus der neueren : Hagedorn,
Gellert, Michaelis, Lessing, Lichtwer, Willamov, Claudius, Gleim,
Goethe, Nicolay, Pfeffel, Krummacher, Kerner, Fröhlich, Hey, Bo-
witsch u. A.
2) Parabel.
§. 29. Die Parabel (TvaqaßuXr], paraböla, paraböle — Nebeneinanderstellung)
ist wie die Fabel der Form nach epischer, dem Zwecke nach didaktischer Natur. Die Parabel
ist wie die Fabel die Veranschaulichung eines allgemeinen Satzes durch einen zu diesem
Zwecke besonders erdichteten Fall. Sie unterscheidet sich von der Fabel darin, daß der ihr
zu Grunde liegende allgemeine Satz nicht eine bloße Lebens- und Klugheitsregel ausspricht,
sondern vielmehr eine höhere Wahrheit aus dem geistigen oder Seelenleben des Menschen.
Darum wählt sie auch meistens Menschen (nicht Thiere) zu ihren Personen. Der erdichtete
Fall wird in der Parabel als ein möglicher, in der Fabel als ein wirklicher darge¬
stellt. Die Darstellung ist ausführlicher, die Sprache edler, als bei der Fabel. — Man
vgl. die schönen Parabeln in der heil. Schrift.
Anm. 1. Als Parabeldichter sind besonders zu nennen: Herder, Krummacher, Goethe,
Schiller, Nicolay, A. W. v. Schlegel, Uhland, Rückert, Kerner, A. Franz.
Anm. 2. „Die Parabeln sowohl als andere Dichtarten des Orients, die sich auf Sittlichkeit be¬
ziehen, kann man in drei verschiedene Rubriken eintheilen: in ethische, moralische und ascetische.
Die ersten enthalten Ereignisse und Andeutungen, die sich auf den Menschen überhaupt und seine
Zustände beziehen, ohne daß dabei ausgesprochen werde, was gut oder bös sei. Dieses aber
wird durch die zweiten vorzüglich herausgesetzt und dem Hörer eine vernünftige Wahl vorbereitet.
Die dritte hingegen fügt noch eine entschiedene Nöthigung hinzu: die sittliche Anregung wird
Gebot und Gesetz." Goethe 6,153.
3) Paramythie»
§. 30. Die Paramythie (naqafA.vd-iu, paramythia), von Herder in die deutsche
Literatur eingeführt, ist eine Nebenart der Parabel und nimmt ihre Begebenheiten meisten-
theils aus der griechischen Sagenwelt, oder aus andern Kreisen höherer Wesen (Engel rc.),'
aus denen sie sittliche und religiöse Wahrheit zur Anschauung bringt. In allen übrigen
Stücken sind Parabel und Paramythie nicht unterschieden. — Im Ganzen haben wir wenig
Paramythien, weil sie meist nicht auf christlichem Boden entstanden sind. Vgl. 8- 17
und 19.
Anm. Paramythien haben wir von Herder, Goethe, Schillern. A.
4) Märchen, Zage, Mythe1).
§. 31. Märchen, Sage und Geschichte streben uns nach einander die Vorzeit
als einen frischen und belebenden Geist nahe zu bringen, uns einzuweihen in das Denken
und Handeln der Vergangenheit. Jedes hat seinen eigenen Kreis. Der Geschichte stehen
Märchen und Sage gegenüber, insofern sie das Sinnlichnatürliche und Begreifliche stäts mit
1) Das Wort Märchen (Mährch en) ist im 18. Jahrh, aufgekommen und ist die Verkleme-
rungsform von Märe (Mähre), mhd. das (selten die) maero, ahd. das (selten die) mLri, die
märida, goth. die meritha. Das goth. Wort bedeutet Kunde, Gerücht; das ahd^hat eine etwas
weitere Bedeutung: Kunde, Gerücht, Ruhm; das mhd. bezeichnet 1) im weitesten Sinne alles, was
Einer dem Andern mittheilt, sei es mündlich oder schriftlich, unmittelbar oder durch einen Dritten,
einseitig oder im Gespräche, also: Nachricht oder Nachrichten über ein einzelnes Ereigniß; Antwort
auf eine Frage; eine Irrlehre, die sich verbreitet; etwas Erdichtetes; 2) im engern Sinn das, was