Full text: [Obere Lehrstufe] (Obere Lehrstufe)

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Überblick der Dichtungsartetl. 499 
dem Unbegreiflichen mischen, während die Geschichte es nur mit dem Begreiflichen, That¬ 
sächlichen zu thun hat. Das Märchen ist überall zu Hanse, wie die Kinderwelt, und 
sucht den reinen Gedanken der kindlichen Weltbetrachtung zu fassen und uns vorzuführen, 
mag es erzählen von Riesen und Zwergen, von verzauberten Prinzen und Prinzessinnen, vom 
kleinen Däumerling oder vom listigen Witzenspitzel, vom Brüderchen und Schwesterchen, oder 
vom gestiefelten Kater, vom Büblein, das überall bat wollen mitgenommen sein, oder vom 
Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt. Nähert sich das Märchen etwas der Ge¬ 
schichte, so greift es zurück in die urdeutsche Heldensage, in die Zeit der Riesen und Zwerge, 
der Feen und Elben rc. — Die Sage steht der Geschichte näher und haftet immer au 
etwas Bekanntem und Bewußtem, an einem Orte oder an einem durch die Geschichte gesicher¬ 
ten Namen. Die geschichtliche Thatsache ist mit der Örtlichkeit, mit Felsen, Burgen, Seen, 
Bäumen rc. in Verbindung getreten, hat, als Geschichte des Volkes von diesem mündlich 
fortgepflanzt, einen dichterischen Schmuck angenommen und erscheint nun, halb Geschichte, 
halb Wunder, als Liebling des Volkes, während das Kind an die Wirklichkeit des 
Märchens glaubt. — Die Mythe (griech. ¡uv&og, lat. mythus) ist eigentlich so viel als 
Sage: nämlich Wort, Rede, Erzählung) dann erdichtete Erzählung; im Besondern eine 
Erzählung ans der Götterwelt, eine Göttersage, woher Mythologie. — Vgl. weiter 
den im Lesebuch S. 189 mitgetheilten Abschnitt „Märchen und Sage" von Grimm. 
Anm. 1. Die besten Kinder-, Haus-und Volksmärchen haben wir in poetischer Form von: 
Riickert, Redwitz, Roqnette, Boas, Bowitsch, Chamisso, Kopisch, Fou- 
q u e u. A., in prosaischer von: Grimm, Goethe, M u s ä u s, T i e ck, B r e n t a n o, B e ch - 
stein, Zingerle, F. v. Woringer, Pocci u. A. (In manchen Sammlungen, beson¬ 
dersin der von Musäus sind manche Märchen aufgenommen, die eher Schwänke als 
Märchen sind.) — Die deutschen Sagen sind vielfach in poetischer und prosaischer Form bearbeitet 
worden. Zu nennen sind besonders: Grimm, Schwab, Tieck, Uhland, Kalten- 
baeck, Nod nagel, L. Be ch st ein, Kaufmann, Simrock, Schnezler, Stöber, 
W. Binder, Ziehnert, A. Bube, I. Günther, Heine, Zingerle, L. Lang, 
N. Hocker u. A. 
Anm. 2. Unter den Sammlungen von Märchen und Sagen sind besonders zu erwähnen: 
„Märchcnschatz, Sammlung der schönsten Märchen und Sagen aller Zeiten und Völker" von O. 
L. B. Wolfs, Leipzig, 1845. „Märchensaal allerVölker" von Herm. Kletke, Berlin, 1844s. 
„Deutsche Hausmärchen" von F. W. Wolf, Göttingen 1851. „Deutsches Märchenbuch" von 
L. Bechstein, Leipzig 1846 und Ö. „Deutsche Volksmärchen" von Friedr. Gottschalck, 
Leipzig 1864. 2 Bde. „Burg-und Bergmärchen" von Friedr. Grimm, Wolfenbüttel 1846 
2Bde. „Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche rc." von Ad. Kuhn, Leipzig 1848. „Nie- 
dersächs. Sagen und Märchen" von G. Schambach, Göttingen 1855. „Sagen, Märchen und 
Gebräuche ans Sachsen und Thüringen" von Em. Sommer, Halle 1846. „Sagen und 
Märchen aus der Oberlausitz" von E. Willkomm, Hannover 1843. 2 Bde. „Kinder- und 
Hansmärchen aus Tirol" von Zingerle, Jnnsbr. 1852. „Kinder-und Hausmärchen aus 
Süddeutschland" von Zingerle, Regensb. 1854. „Schwäbische Volkssagen, Geschichten und 
Mährchen" von W. Binder. Stuttgart 1845. 2 Bde. „Die Mariensagen in Österreich" 
von Kaltenbaeck. Wien 1845. „Deutsche Volksmärchen aus Schwaben" von E. H. Meier, 
Stuttg. 1852. „Deutsches Sagenbuch für die reifere Jugend" von A. Nodnagel. Darm¬ 
stadt 1845. „Großes poetisches Sagenbuch des deutschen Volkes (der Deutschen)" von I. 
Günther. Jena 1846. 2 Bde. „Hessische Sagen", von I. W. Wolf, Gött. 1853. 
„Sagenbuch der Lausitz" von K. Haupt, Leipzig 1862 s. 2 Bde. „Rheinlands Sagen und 
Legenden" von A. v. Reumont, Aachen 1837. 2. A. 1844. „Sagenbuch der bayer. Lande" 
von A. Schöppner, München 1851 f. 3 Bde. „Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen" 
von F. Schönwarth, Augsb. 1857. „Sagenbuch von Böhmen und Mähren" von I. H. 
Grohmann, Prag 1863. „Volksmärchen der Böhmen" von W. A. Gerle, Prag 1829. 
2 Bde. „Märchen- und Sagenbuch der Böhmen" von A. W. Griesel, Prag 1810. 2 Thle. 
„Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche ans Schwaben" von E. Meier, Stuttg. 1852. 
2 Bde. „Badisches Sagenbuch" von A. Schnezler, Karlsr. 1846. 2 Bde. „Sagen des 
Elsasses" von A. Stöber, St. Gallen 1851. „Niederländ. Sagen" von I. W. Wolf 
Leipzig 1845. 
man allenthalben hört: Gerücht, Ruf, in welchem jemand steht; 3) (das maore oder Plural). die 
meistens rhythmisch abgefaßte Erzählung einer denkwürdigen (wahren oder erdichteten) Begebenheit; 
die fortlaufende Erzählung einer Reihe wirklicher oder erdichteter Begebenheiten. Heute hat'das 
Wort noch die alteBedeutung, vgl. Nr.89,1. 125,10. 141,24. 145,19.— Sage, ahd. saga, mf)b. 
sage = Aussage, dann mündlich in der Zeitfolge ohne Kenntniß des Urbebers fortgepflanzte Begebenheit 
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