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Heimatkunst und Dorfgeschichte. 
Der Pfarrer sucht zu sänftigen und zu trösten. ° 
„Warum denn?" frägt der Bartelmei, „bin ja gar nicht verzagt. Weiß 
gleichwohl, daß alles recht muß werden. — Was macht denn der Herr 
Pfarrer für Geschichten mit feiner weißen Pfaid? Nein, das brauch' ich 
s nicht; wir tun die Sach' kurzweg ab. Wenn einer so auf dem letzten Stroh 
liegt, ist man zu nichts mehr ausgelegt. Tu sich der Herr nur setzen. — 
Das sag' ich aber gleich: mit dem Glauben steht's bei mir schlecht; glau¬ 
ben tu ich, wenn ich's recht will sagen, an gar nichts mehr. Der Herrgott 
ist selber schuld, daß ich so bin herabgekommen. Er hat auf mich schön 
10 sauber vergessen. Er hat mir's versagt, und er hätt's in seiner Allmächtig¬ 
keit wahrhaftig bei meiner Seel' leicht tun mögen! — Ich mag davon ja 
wohl reden. Selbunter, wie die Sepp-Marian ist gestorben, die ein wenig 
mein ist gewesen, hab' ich an ihrem Todbett gesagt, Marian, hab' ich ge¬ 
sagt, wenn du jetzund mußt verlöschen, du junges Blut, und ich allein sollt' 
i5 verbleiben meiner Tage lang, so ist das die größte Grausamkeit von Gott 
im Himmel oben. Aber wissen möcht' ich's, Marian, und vor meinem Tod 
möcht' ich's wissen, was es mit der Ewigkeit ist, von der sie sagen allerweg, 
daß sie kein End' hätt' und daß die Menschenseel' in ihr tät fortleben. 
Es ist nichts Rechtes zu erfahren; und da sollt' einer fremder Leut' Reden 
so glauben, und etwan wissen die auch nichts. Und jetzt, Marian, hab' ich 
gesagt, wenn du doch wohl fort mußt, und du bist in der Ewigkeit weiter, 
gleichwohl wir dich begraben haben, so tu mir die Freundschaft und komm, 
wenn du kannst, mir noch einmal zurück, und wenn's auch nur ein Viertel- 
stündlein ist, und richt' mir's aus, damit ich weiß, wie ich dran bin. — 
25 Die Marian hat's versprochen, und wenn sie kann, so wird sie's halten, 
davon bin ich überzeugt gewesen. — Darauf, wie sie verstorben, hab' ich 
viele Nächte nicht schlafen mögen, hab' immer gemeint, jetzt und jetzt wird 
die Tür aufgehen, wird die Marian hereinsteigen und sagen: Ja, Bartel¬ 
mei, magst es wohl glauben, 's ist richtig, 's ist eine Ewigkeit drüben, und 
30 du hast eine unsterbliche Seel'! — Was meint der Herr Pfarrer, ist sie 
gekommen? — Nicht ist sie gekommen; gestorben und tot und weg ist sie 
gewesen. Und seither — ich kann mir nicht helfen — glaub' ich schon an 
gar nichts mehr." 
Er schweigt und horcht dem Tosen des Wintersturmes. Der Pfarrer 
85 soll eine Weile in die flackernde Spanflamme gestarrt und endlich die Worte 
gesagt haben: 
„Zeit und Ewigkeit, mein lieber Bartelmei, ist nicht durch einen 
Heckenzaun getrennt, über den man hin- und herhüpfen kann, wie man 
will. Der Eingang in die Ewigkeit ist der Tod; im Tode streifen wir 
io alles Zeitliche ab; denn die Ewigkeit ist so groß, daß nichts Zeitliches in 
ihr bestehen kann. Darum ist der Verstorbenen auch dein vorwitzig Wort 
ausgelöscht gewesen und alle Erinnerung an das zeitliche Leben. Frei von 
allem Erdenstaub ist sie in Gott eingegangen." 
4. Dem priesterlichen Gewand.
	        
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