310 
von Grenoble über Chambéry bis hart an den Fuß des kleinen St. 
Bernhard, d. h. der Hochalpenkette sich hinzieht und unter allen 
Alpenthälern das breiteste, fruchtbarste und bevölkertste ist. Es ist 
ferner der Weg über den kleinen Bernhard unter allen natürlichen 
Alpenpassagen zwar nicht die niedrigste, aber bei weitem die bequemste; 
obwohl dort keine Kunststraße angelegt ist, überschritt auf ihr noch 
im I. 1815 ein östreichisches Korps mit Artillerie die Alpen. 
Dieser Weg, der bloß über zwei Bergkämme führt, ist endlich von 
den ältesten Zeiten an die große Heerstraße aus dem Kelten- ins 
italische Land gewesen. Die karthagische Armee hatte also in der 
That keine Wahl; es war ein glückliches Zusammentreffen, aber kein 
bestimmendes Motiv für Hannibal, daß die ihn: verbündeten kelti¬ 
schen Stämme in Italien bis an den kleinen Bernhard wohnten, 
während ihn der Weg über den Mont Genövre zunächst in das Ge¬ 
biet der Tauriner geführt haben würde, die seit alten Zeiten mit 
den Jnsubrern in Fehde lagen. 
5. So marschirte das karthagische Heer zunächst an der Rhone 
hinauf gegen das Thal der obern Isère zu, nicht, wie man ver¬ 
muthen könnte, auf dem nächsten Weg, an dem linken Ufer der 
untern Isère hinauf von Valence nach Grenoble, sondern durch die 
„Insel" der Allobrogen, die reiche und damals schon dichtbevölkerte 
Niederung, die nördlich und westlich von der Rhone, südlich von der 
Isère, östlich von den Alpen umfaßt wird. Es geschah dies wieder 
deßhalb, weil die nächste Straße durch ein unwegsames und armes 
Bergland geführt hätte, während die Insel eben und äußerst frucht¬ 
bar ist und nur eine einfache Bergwand sie von dem obern Jsère- 
thal scheidet. Der Marsch an der Rhone hin und quer durch die 
Insel bis an den Fuß der Alpenwand war in sechzehn Tagen vollen¬ 
det; er bot geringe Schwierigkeit und auf der Insel selbst wußte 
Hannibal durch geschickte Benutzung einer zwischen zwei allobrogischen 
Häuptlingen ausgebrochenen Fehde sich einen der bedeutendsten der¬ 
selben so zu verpflichten, daß derselbe den Karthagern nicht bloß 
durch die ganze Ebene das Geleit gab, sondern auch ihnen die Vor- 
räthe ergänzte und die Soldaten mit Waffen, Kleidung und Schuh¬ 
zeug versah. Allein an dem Übergang über die erste Alpenkette, die 
steil und wandartig emporsteigt, und über die nur ein einziger gang¬ 
barer Pfad (über den Mont du Chat beim Dorfe Chevelu) führt, 
märe fast der Zug gescheitert. Die allobrogische Bevölkerung hatte 
den Paß stark besetzt. Hannibal erfuhr es früh genug, um einem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.