Full text: Altdeutsches Lesebuch mit Anmerkungen (1)

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aber weibliche Nnmut einmal freigegeben, so ist nicht zu berechnen, 
wie weit diese sanfte, doch sichere Gewalt ihre Wirkungen ausdehne; 
und so sehen wir den eisernen Ritter, kniend vor ihr, die Hände falten. 
Man hat bemerkt, daß schon die alten Germanen, nach Tacitus, 
in den Frauen etwas heiliges und Prophetisches ehrten. Wichtiger 
ist, daß bei ihnen, nach den Berichten desselben Geschichtschreibers, 
das Verhältnis der Geschlechter durchaus als ein sittliches erscheint. 
Die Ehe wird streng und heilig gehalten; selbst zweite Ehe ist bei 
manchen Stämmen unzulässig; der Mann fürchtet die Gefangenschaft 
weniger für sich als für die Gattin; am sichersten gebunden sind 
diejenigen Völkerschaften, von denen man edle Jungfrauen zu Geiseln 
genommen hat. Wäre den Frauen nicht zum voraus in der deutschen 
Gemütsart ihre Würde gesichert gewesen, das Christentum mußte ihre 
Freilassung vollenden. Der Glaube, der die Menschenwürde so feier¬ 
lich ausspricht, ertrug nicht die Zurücksetzung des einen Geschlechts. 
Der neue Glaube erschloß überhaupt die Tiefen des Gemütes; auch 
im Verhältnis der Geschlechter mußte er die geistige Beziehung fordern. 
Einzelne Lehrsätze und Anstalten der Kirche begegneten in merk¬ 
würdiger Wechselwirkung den Neigungen der Völker. Schon glänzten 
heilige Frauen und Jungfrauen als Märterinnenh der göttlichen 
Lehre. Ruch weibliche Genossenschaften hatten sich, weltlicher Lust 
entsagend, dem Dienste des heiligen verpflichtet, vor allem aber 
erschien das Geschlecht verherrlicht und geweiht in der jungfräulichen 
Mutter des Heilandes; die Verehrung Mariens erhob sich nahe¬ 
zu über jeden anderen Gottesdienst, und wie die himmlische ihren 
Glanz über die Frauen der Erde verbreitete, so war hinwieder die 
Feier ihres Lobes an Innigkeit und Farbengebung dem welt¬ 
lichen Minnesänge verwandt. Bus ihre Erwählung durch 
Gott wird das Hohelied gedeutet, das ein Sänger ihres Preises „das 
Buch von der Minne" nannte, während es anderswo „unser Frauen 
Lied" genannt wird. Die alte Welt hat die Kräfte, die das Leben 
regeln, verschönern, veredeln, vorzugsweise in weiblicher Gestalt sinn¬ 
bildlich dargestellt. Die Neueren haben umgekehrt in der Erscheinung 
herrlicher Frauen das Geistige geahnt und eine sittliche Herrschaft 
anerkannt. Ls ist nicht zu widersprechen, daß eben der sittliche Ein¬ 
fluß der Frauen die wirksamste Gesetzgebung des Mittelalters war 
und das Mangelhafte der äußeren Einrichtungen einigermaßen ersetzte. 
5 
10 
15 
20 
25 
30 
35 
h Märtr)r(er)innen.
	        
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