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für ihre Größe zeugen. „Kraft, Heldenmut, Tapferkeit, Weisheit, Edel¬ 
mut, Seelenstärke belebten die Glieder dieses Kirchenreiches, in der Glorie 
der Göttlichkeit sonnte sich die irdische Welt." Die Zeit des Übels brach 
natürlich herein mit der Reformation. 
Gegenüber diesen beiden Standpunkten, gegenüber Abscheu und Ver¬ 
ehrung, Verdammung und Anbetung, wo werden wir unsere Stellung 
suchen? 
Es ist schon ein dritter Standpunkt angedeutet, als das dritte Sta¬ 
dium in der Beurteilung des Mittelalters, der Standpunkt des Verstehens, 
des Begreifens, der objektiven historischen Durchdringung. Dies soll der 
unsrige sein, und ich glaube, es ist auch der Standpunkt der Gerechtigkeit. 
Wir werden weder lauter Schatten noch lauter Licht erblicken; auch für 
uns ist der mittelalterliche Zustand ein Zustand relativer Unvollkommen¬ 
heit, auch wir können die Bezeichnung der Nacht für das Mittelalter an¬ 
nehmen. Aber es ist eine helle, eine glänzende Nacht, in der unzählige 
Sterne mit teils mildem, teils kräftigem Lichte leuchten. 
Eben darum ist der Standpunkt der Gerechtigkeit keineswegs der der 
Gleichgültigkeit. Wenn wir uns ins Mittelalter begeben, so stehen wir 
nicht auf neutralem Boden. Ich kann über Ideen und Zustände des 
deutschen Mittelalters nicht sprechen wie über Ideen und Zustände von 
Japan und China. Das Mittelalter liegt uns recht fern; wir würden 
uns sehr fremd fühlen, wenn wir mit einem mittelalterlichen Menschen 
uns verständigen, wenn wir in einem mittelalterlichen Hause leben sollten: 
fremder würden wir uns vielleicht fühlen c^s im alten Rom oder Athen. 
Aber gleichwohl, nicht bloß näher als Japan oder China, sondern auch 
näher als Athen oder Rom liegt uns noch immer das Mittelalter. Die 
alle Nacht will auch über uns noch ihre dämmernden Schleier werfen, und 
jene funkelnden Sterne, sie leuchten auch uns. 
Aber das Mittelalter bietet auch eine andere Seite. Wir gewahren 
eine Reihe tüchtiger, ernster, zukunftsreicher Bestrebungen, denen wir 
unsere ganze Sympathie schenken müssen. Sollen wir nicht stolz sein auf 
die Kraft des deutschen Bürgertutns, auf den Bund der Hansa, die erste 
und oberste Handels- und Gewerbsmacht im damaligen Europa? Sollen 
wir nicht stolz sein auf den Glanz der Sprache, auf die Innigkeit der 
Empfindung, auf den Witz und den Geist, aus die Tiefe des Gedankens, 
welche unsere Dichter des dreizehnten Jahrhunderts zu entfalten wußten? 
Sollen wir nicht mit heller Freude Hinblicken auf die kraftvollen Persön¬ 
lichkeiten, welche die Geschichte der Kaiserzeit uns vorführt? Die mächtige 
und geachtete Stellung, welche Deutschland damals nach außen einnahm, 
die Vorherrschaft in Europa wollen wir wahrlich nicht gering anschlagen. 
Der Glanz und die Fruchtbarkeit, welche zeitweise denr deutschen Namen
	        
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