Full text: Mittelhochdeutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten

37 
(Durch solche ausweichende Antwort läßt sich natürlich Brunhilde nicht be¬ 
schwichtigen. Ihre geheime Eifersucht gegen Kriemhilde, die sich hinter dem 
vorgegebenen Mitleide verbirgt, und ihr Groll gegen Günther, den vermeintlichen 
Sieger, wächst von Stunde zu Stunde, bis am Abend noch einmal ihre wilde, un¬ 
bändige Kampflust gegen ihren Gemahl herausbricht. Der mächtige König der 
Burgunden muß die Schande tragen, von einem Weibe im Ringkampf überwäl¬ 
tigt und schmählich gefesselt zu werden. Abermals muß Siegfried für ihn ein- 
treten: in seiner Tarnhaut ringt er mit Brunhilde und bezwingt sie abermals. 
Diesmal aber nimmt er ihr unbemerkt ihren Gürtel und einen Ring. Beides schenkt 
er später seiner Kriemhilde, wodurch er der Kette des Verhängnisses, die er sich 
selber zu seinem Untergange schmiedet, ein besonders entscheidungsvolles Glied 
hinzufügt.) 
(Siegfrieds und Kriemhildens Heimfalirt.) 
(Doch noch schlummert das Unheil. Vierzehn Tage dauert die Hochzeit, 
da zerstreuen sich die Gäste. Zuletzt bereitet sich auch Siegfried zur Abreise. 
Wie er sich von den drei fürstlichen Brüdern verabschiedet, bringt der treue 
Giselher Ivriemhildens Erbantheil zur Sprache.) 
639. ‘Wir suln ouch mit iu teilen/ sprach Giselher daz kint, 
‘lant unde bürge, die unser eigen sint; 
swaz uns der witen erbe mac wesen undertan, 
der sult ir teil vil guoten mit samt Kriemhilde han.’ 
640. Sun der Sigmundes zuo den fürsten sprach, 
do er den guoten willen an den herren sach: 
‘got läze iu iuwer erbe immer saslic sin! 
ja tuon ich ir ze rate mit der lieben frouwen min.’ 
641. Do sprach diu frouwe Kriemhilt: ‘habet ir der erbe rat, 
umb Burgunden degene ez niht so lihte stat, 
sine müg ein künic gerne füeren in sin lant. 
ja sol si mit mir teilen miner lieben bruoder hant.’ 
642. Do sprach der herre Gernot: ‘nim dir, swen du wil. 
die gerne mit dir riten, der vindest du hie vil. 
uz drizec hundert recken nim dir tüsent man; 
die sin din heimgesinde.’ Kriemhilt senden began 
643. Nach Hagenen von Tronije und nach Ortwiu, 
ob die und ir mäge Kriemhilde wolden sin. 
dar umbe gewan Hagene zorneclichez leben * 
er sprach: ‘ja mag uns Günther nimmer niemen hin gegeben. 
644. Ander ingesinde lät iu volgen mite, 
wan ir wol bekennet der Tronijaere site: 
wir müezen bi den künigen hie ze hove bestän. 
wir suln in langer dienen, den wir her gevolget hau ’
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.