258
III. 23. Schiller:
— jene also der unmittelbare Grund, diese nur mittelbar die Bedingung der
Schönheit. Technik nämlich trägt nur insofern zur Schönheit bei, als sie dazu
dient, die Vorstellung der Freiheit zu erregen.
4 Vielleicht kann ich diesen Satz — der übrigens aus dem Vorhergehenden
schon ziemlich klar ist — noch auf folgendem Wege erläutern.
5 Bei dem Naturschönen sehen wir mit unsern Augen, daß es durch sich
selbst ist; daß es durch eine Regel sei, sagt uns nicht der Sinn, sondern der
Verstand. Nun verhält sich aber die Regel zur Natur, wie Zwang zur Frei¬
heit. Da wir uns nun die Regel bloß denken, die Natur aber sehen: so
denken wir uns Zwang, und sehen Freiheit. Der Verstand erwartet und
fordert eine Regel, der Sinn lehrt, daß das Ding durch sich selbst und durch
keine Regel ist. Läge uns nun an der Technik, so müßte uns die fehl¬
geschlagene Erwartung verdrießen, die uns doch vielmehr Vergnügen macht.
Also muß uns an der Freiheit und nicht an der Technik liegen. Wir Hütten
Ursache, aus der Form des Dinges auf einen logischen Ursprung, also auf
Heteronomie zu schließen, und wider Erwartung finden wir Autonomie. Da
wir über diesen Fund froh sind und uns dadurch gleichsam von einer Sorge
(die in unserem praktischen Vermögen ihren Sitz hat) erleichtert fühlen, so
beweist dieses, daß wir bei der Regelmäßigkeit nicht soviel, als bei der Frei¬
heit gewinnen. Es ist bloß ein Bedürfnis unserer theoretischen Vernunft,
uns die Form des Dinges als abhängig von einer Regel zu denken; aber
daß es durch keine Regel, sondern durch sich selbst ist, ist ein Faktum für
unseren Sinn. Wie könnten wir aber einen ästhetischen Wert auf die Tech¬
nik legen, und doch mit Wohlgefallen wahrnehmen, daß ihr Gegenteil wirk¬
lich ist? Also dient die Vorstellung der Technik bloß dazu, uns die Nicht¬
abhängigkeit des Produkts von derselben ins Gemüt zu rufen, und seine
Freiheit desto anschaulicher zu machen.
6 Dieses leitet mich nun von selbst auf den Unterschied zwischen dem
Schönen und dem Vollkommenen. Alles Vollkommene, das absolut Voll¬
kommene ausgenommen, welches das Moralische ist, ist unter dem Begriff
der Technik enthalten, weil es in der Übereinstimmung des Mannigfaltigen
zu Einem besteht. Da nun die Technik bloß mittelbar zu der Schönheit bei¬
trügt, insofern sie die Freiheit bemerkbar macht, das Vollkommene aber un¬
ter dem Begriff der Technik enthalten ist: so sieht man gleich, daß es nur
die Freiheit in der Technik ist, was das Schöne von dem Vollkom¬
menen unterscheidet. Das Vollkommene kann Autonomie haben, insofern seine
Form durch seinen Begriff rein bestimmt worden ist; aber Heautonomie hat
nur das Schöne, weil nur an diesem die Form durch das innere Wesen be¬
stimmt ist.