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Zuschauer menschlich nahe bringen wollte, aber es gelang nicht, man kommt
über die Erbärmlichkeit des Menschen nicht hinweg. Die Grillparzersche
Tragik kennt nicht den Rampf gleichberechtigter Mächte, sondern nur den
Untergang des hohen durch das Gemeine, sei es außer, sei es in der eigenen
Uatur,- ihr letztes Resultat aber ist nicht der kühne Protest gegen oder die
stolze Ergebung in die Notwendigkeit, sondern bittere Enttäuschung oder
schwächliche Resignation, das „Trage, dulde, büße", wie es Medea Jason
zuruft. Der Natur des Dichters selber fehlte eben der Stahl.
Vas merkt man leider auch an feinem „Gttokar", mit dem er das
Gebiet der historischen Tragödie betritt. Hebbel, der das Drama erst spät
kennen lernte, schrieb darüber: „Ich lese ein Stück von Grillparzer, ,Rönig
Gttokars Glück und Ende'. Eben schließe ich den zweiten Rkt, und wenn die
übrigen sind, was die beiden ersten waren, so ist dies das vortrefflichste
Trauerspiel, das in unserer Literatur existiert. Bis jetzt ist es meister¬
haft in jeder Beziehung, es fetzt mich in Wallung, und ich schäme mich, es
nicht gekannt zu haben." Über dann der Schluß: „Die letzten drei Rkte
entsprechen den ersten nicht, sie bringen auch noch einzelne höchst bedeutende
Züge, aber sie stehen im ganzen weit hinter jenen zurück. Ich begreife Geister
dieser Rrt nicht. Bei mir tritt am Schluß erst die ganze Rraft in die
Blume."
Mit dem „Gttokar" ist Grillparzers dichterische Entwicklung im Grunde
vollendet, wenn er auch, wie nicht geleugnet werden soll, im einzelnen noch
Fortschritte macht, beispielsweise in der Individualisierung der Charaktere
und in der Diktion, bei der, wie Rugust Sauer richtig bemerkt, schon im
„Gttokar" „der breite Faltenwurf einer knapperen, pointierten Rusdrucks-
weise, einer mit Idiotismen durchsetzten Sprache weicht, die auch vor spröden,
eigensinnigen Wendungen bald nicht mehr zurückschreckt". Das historische
Drama pflegt Grillparzer weiter in „Ein treuer Diener seines Herrn", in
„Lin Bruderzwist im Hause Habsburg", in der „Jüdin von Toledo" und in
dem Bruchstück „Esther", nun nicht mehr Shakespeare, wie im „Gttokar",
sondern die Spanier, vor allen den geliebten Lope de vega, als Ideal vor
Rügen, selbstverständlich moderner, psychologischer als sie, aber doch in
ihrer Rtmosphäre. Zu den Griechen kehrt der Dichter mit „Des Meeres
und der Liebe wellen" noch einmal zurück und schafft sein Meisterstück,
das beste Liebesdrama der deutschen Literatur. Rn die „Rhnfrau" kann
man „Der Traum ein Leben" anknüpfen, das auch wie das Jugendwerk
in Trochäen geschrieben ist. Ein mythisches Drama wie „Das goldene Vließ"
ist „Libussa". Rur etwa das Lustspiel „Weh dem, der lügt!" könnte
man als neue Gattung bezeichnen, doch kehrt hier der Gegensatz der barba¬
rischen und der Rulturwelt, wie im „goldenen Vließ", noch einmal wieder,
wir haben jetzt über die Schwächen der Grillparzerschen Dramatik hin¬
reichend gesprochen, auch von seinen späteren Werken erwächst keines zur