28. Die kluge Hausfrau.
Johann Wolfgang von Goethe.
Ein junger Landmann pachtete einen ansehnlichen Qasthof, der
sehr gut gelegen war. Von den Eigenschaften, die zu einem Wirte
gehören, besaß er vorzüglich die Behaglichkeit; sie hatte ihn in
der Wahl seines jetzigen Gewerbes bestimmt und breitete sich auch
über alle Gäste aus, die sich bald bei ihm versammelten.
Er hatte ein junges Mädchen geheiratet, von stillem, wohl-
kleidlichem Wesen. Sie versah ihre Geschäfte gut und pünktlich,
sie hing an ihrer Wirtschaft und liebte ihren Mann; doch mußte
sie ihn bei sich im stillen tadeln, daß er mit dem Gelde nicht
sorgsam genug umging. Das Geld nötigte ihr eine gewisse Ehrfurcht
ab, sie fühlte ganz den Wert und die Notwendigkeit desselben;
hätte sie nicht ein so heiteres Gemüt gehabt, sie würde eine strenge,
geizige Hausfrau geworden sein.
Margarete, so will ich unsern sorglichen Hausgeist nennen, war
mit ihrem Manne sehr unzufrieden, wenn er die großen Zahlungen,
die er manchmal für verkauftes Getreide von Fuhrleuten und Unter¬
nehmern erhielt, ausgezählt wie sie waren, eine Zeitlang auf dem
Tische liegen ließ, das Geld alsdann in Körbchen einstrich und daraus
wieder ausgab und auszahlte, ohne Pakete gemacht zu haben, ohne
Rechnung zu führen. Verschiedene ihrer Mahnungen waren fruchtlos,
und sie sah wohl ein, daß, wenn er auch nicht verschwendete,
manches in einer solchen Unordnung verschleudert werden müsse.
Der Wunsch, ihn auf bessere Wege zu leiten, war so groß bei ihr,
der Verdruß, zu sehen, daß manches, was sie im kleinen erwarb
und zusammenhielt, im großen wieder vernachlässigt wurde und
auseinanderfloß, war so lebhaft, daß sie sich zu einem gefährlichen
Versuche bewogen fühlte, wodurch sie ihm über diese Lebensweise
die Augen zu öffnen gedachte. Sie nahm sich vor, ihm so viel Geld
wie möglich aus den Händen zu spielen, und zwar bediente sie sich
dabei einer sonderbaren List. Sie hatte bemerkt, daß er das Geld,
das einmal auf dem Tische ausgezählt war, wenn es eine Zeitlang
gelegen hatte, nicht wieder nachzählte, ehe er es aufhob; sie bestrich
daher den Boden eines Leuchters mit Talg und setzte ihn, in einem
Schein von Ungeschicklichkeit, auf die Stelle, wo die Dukaten lagen,
eine Geldsorte, der er eine besondere Freundschaft gewidmet hatte.