Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1)

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Lernen und Arbeiten geängstigt, die Gänge, auf denen sie gespielt, die 
Wände, für deren Reinlichkeit und Erhaltung man sonst so sehr gesorgt, 
alles das vor der Hacke des Maurers, vor dem Beile des Zimmermanns 
fallen zu sehen, und zwar von unten herauf, und indessen oben auf unter¬ 
stützten Balken gleichsam in der Luft zu schweben, und dabei immer noch 
zu einer gewissen Lektion, zu einer bestimmten Arbeit angehalten zu werden 
— dieses alles brachte eine Verwirrung in den jungen Köpfen hervor, 
die sich so leicht nicht wieder ins gleiche setzen ließ. Doch wurde die Un¬ 
bequemlichkeit von der Jugend weniger empfunden, weil ihr etwas mehr 
Spielraum als bisher und manche Gelegenheit, sich aus Balken zu schaukeln 
und auf Brettern zu schwingen, gelassen ward. 
Hartnäckig setzte der Vater die erste Zeit seinen Plan durch; doch 
als zuletzt auch das Dach teilweise abgetragen wurde, und ungeachtet alles 
übergespannten Wachstuches von abgenommenen Tapeten der Regen bis 
zu unsern Betten gelangte, so entschloß er sich, obgleich ungern, die Kinder 
wohlwollenden Freunden, die sich schon früher dazu erboten hatten, ans 
eine Zeitlang zu überlassen und sie in eine öffentliche Schule zu schicken. 
Um diese Zeit war es eigentlich, daß ich meine Vaterstadt zuerst 
gewahr wurde, wie ich denn nach und nach immer freier und un¬ 
gehinderter, teils allein, teils mit muntern Gespielen, darin auf und ab 
wandelte. Am liebsten spazierte ich auf der großen Mainbrücke. Der 
schöne Fluß auf- und abwärts zog meine Blicke nach sich, und wenn auf 
dem Brückenkreuz der goldene Hahn im Sonnenschein glänzte, so war es 
mir immer eine erfreuliche Empfindung. Gewöhnlich ward alsdann durch 
Sachsenhausen spaziert und die Überfahrt für einen Kreuzer gar behaglich 
genossen. Da befand man sich nun wieder diesseits, da schlich man zum 
Weinmarkte, bewanderte den Mechanismus der Krane, wenn Waren aus¬ 
geladen wurden; besonders aber unterhielt uns die Ankunft der Markt¬ 
schiffe, wo man so mancherlei und mitunter so seltsame Figuren aussteigen 
sah. Ging es nun in die Stadt herein, so ward jederzeit der Saalhof, 
der wenigstens an der Stelle stand, wo die Burg Kaiser Karls des Großen 
und seiner Nachfolger gewesen sein sollte, ehrfurchtsvoll gegrüßt. Man 
verlor sich in die alte Gewerbstadt und besonders Markttages gern in dem 
Gewühl, das sich um die Bartholomäuskirche herum versammelte. Hier 
hatte sich von den frühesten Zeiten an die Menge der Verkäufer und 
Krämer übereinander gedrängt, und wegen einer solchen Besitznahme konnte 
nicht leicht in den neueren Zeiten eine geräumige und heitere Anstalt 
Platz finden. Nur selten aber mochte man sich über den beschränkten, 
vollgepfropften, unreinlichen Marktplatz hindrängen. So erinnere ich mich 
auch, daß ich immer mit Entsetzen vor den daranstoßenden engen und häßlichen 
Fleischbänken geflohen bin. Nichts architektonisch Erhebendes war damals in 
Frankfurt zu sehen: Alles deutete auf eine längst vergangene, für Stadt 
und Gegend sehr unruhige Zeit. Pforteu und Türme, welche die Grenzen
	        
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