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Lernen und Arbeiten geängstigt, die Gänge, auf denen sie gespielt, die
Wände, für deren Reinlichkeit und Erhaltung man sonst so sehr gesorgt,
alles das vor der Hacke des Maurers, vor dem Beile des Zimmermanns
fallen zu sehen, und zwar von unten herauf, und indessen oben auf unter¬
stützten Balken gleichsam in der Luft zu schweben, und dabei immer noch
zu einer gewissen Lektion, zu einer bestimmten Arbeit angehalten zu werden
— dieses alles brachte eine Verwirrung in den jungen Köpfen hervor,
die sich so leicht nicht wieder ins gleiche setzen ließ. Doch wurde die Un¬
bequemlichkeit von der Jugend weniger empfunden, weil ihr etwas mehr
Spielraum als bisher und manche Gelegenheit, sich aus Balken zu schaukeln
und auf Brettern zu schwingen, gelassen ward.
Hartnäckig setzte der Vater die erste Zeit seinen Plan durch; doch
als zuletzt auch das Dach teilweise abgetragen wurde, und ungeachtet alles
übergespannten Wachstuches von abgenommenen Tapeten der Regen bis
zu unsern Betten gelangte, so entschloß er sich, obgleich ungern, die Kinder
wohlwollenden Freunden, die sich schon früher dazu erboten hatten, ans
eine Zeitlang zu überlassen und sie in eine öffentliche Schule zu schicken.
Um diese Zeit war es eigentlich, daß ich meine Vaterstadt zuerst
gewahr wurde, wie ich denn nach und nach immer freier und un¬
gehinderter, teils allein, teils mit muntern Gespielen, darin auf und ab
wandelte. Am liebsten spazierte ich auf der großen Mainbrücke. Der
schöne Fluß auf- und abwärts zog meine Blicke nach sich, und wenn auf
dem Brückenkreuz der goldene Hahn im Sonnenschein glänzte, so war es
mir immer eine erfreuliche Empfindung. Gewöhnlich ward alsdann durch
Sachsenhausen spaziert und die Überfahrt für einen Kreuzer gar behaglich
genossen. Da befand man sich nun wieder diesseits, da schlich man zum
Weinmarkte, bewanderte den Mechanismus der Krane, wenn Waren aus¬
geladen wurden; besonders aber unterhielt uns die Ankunft der Markt¬
schiffe, wo man so mancherlei und mitunter so seltsame Figuren aussteigen
sah. Ging es nun in die Stadt herein, so ward jederzeit der Saalhof,
der wenigstens an der Stelle stand, wo die Burg Kaiser Karls des Großen
und seiner Nachfolger gewesen sein sollte, ehrfurchtsvoll gegrüßt. Man
verlor sich in die alte Gewerbstadt und besonders Markttages gern in dem
Gewühl, das sich um die Bartholomäuskirche herum versammelte. Hier
hatte sich von den frühesten Zeiten an die Menge der Verkäufer und
Krämer übereinander gedrängt, und wegen einer solchen Besitznahme konnte
nicht leicht in den neueren Zeiten eine geräumige und heitere Anstalt
Platz finden. Nur selten aber mochte man sich über den beschränkten,
vollgepfropften, unreinlichen Marktplatz hindrängen. So erinnere ich mich
auch, daß ich immer mit Entsetzen vor den daranstoßenden engen und häßlichen
Fleischbänken geflohen bin. Nichts architektonisch Erhebendes war damals in
Frankfurt zu sehen: Alles deutete auf eine längst vergangene, für Stadt
und Gegend sehr unruhige Zeit. Pforteu und Türme, welche die Grenzen