Full text: [Teil 3 = 6. u. 7. Schulj] (Teil 3 = 6. u. 7. Schulj)

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Tür ein; die Glocke läutete; hinten im Backhause riß „Perle" an der Kette 
und erhob ein wütendes Gebell. 
Atemlos stand ich vor dem kleinen, hitzigen Gesellen, der nun freude¬ 
winselnd an mir aufstrebte. Kräftig dufteten die frischen Roggenbrote, 
welche reihenweise auf den Wandgestellen lagen, und nebenan in der offenen 
Kammer stand die alte Mutier Wies am Backtröge, mit dem Ansäuern des 
Teiges für den morgenden Tag beschäftigt. Im Backhause selbst drängte 
sich eine Schar von Nachbarskindern, welche, mit irdenen Schüsseln in der 
Hand, auf die Austeilung der Abendmilch warteten; denn auch eine Milch¬ 
wirtschaft wurde hier mit vier oder fünf schweren Marschkühen betrieben. 
,^ena noch nicht farbig?" fragte ich auf plattdeutsch, und die alte Frau 
hielt im Kneten inne, und ihre noch immer schönen Augen blickten mit 
großmütterlicher Zärtlichkeit auf mich. 
Nein, Lena und Vater Wies waren noch im Stall beim Melken. 
Schnell war meine Handleuchte ausgeblasen und auf den Tisch gestellt; 
dann ging's über den dunkeln Steinhof und in den alten, niedrigen Stall 
hinein, durch den übrigens im Sommer der Weg zu einem seltsam stillen 
Garten voll roter Zentifolien und kleiner, süßer Stachelbeeren führte. 
2. Unter dem Boden des Stalles hing eine Laterne; aber es war kein 
Licht, sondern nur eine Art leuchtenden Dunstes, den sie in einem engen 
Kreise um sich her verbreitete. Und doch, für welch trauliche, kleine Welt 
war sie der Mittelpunkt! 
Aus dem Dunkel, wo die Kühe an ihren Raufen wiederkäuten, klang 
es mir leibhaftig wie der alte Volksreim entgegen: 
„Stripp, ftrapp, stroll, — is de Ammer nich bald voll?" 
Ich rief ihn denn auch lustig in das Dunkel hinein, und: „Geduld 
überwindet Schweinebraten!" kam sogleich von dort her die heitere Stimme 
meiner Freundin Lena an mich zurück, und unter einer anderen Kuh heraus 
scholl als Begleitung im Grundbaß das behagliche Lachen von Vater Johann 
Wies. Lena regierte mich mit scherzenden Worten, ja, bloß mit ihren 
klugen Augen sicher genug, und so warf ich mich geduldig neben der Tür 
auf einen Haufen Heu, während seitwärts auf der Hühnerleiter der Hahn 
mit seinen Hennen im Traume kakelte und von den Kühen her der Strich 
des Melkens eintönig hervorklang, nur mitunter durch einen Zuruf unter¬ 
brochen, wenn die Bläß oder die Schwarze etwa nicht ordnungsmäßig 
standhielten. 
Endlich, mit schwerem Eimer und heißem Gesicht, trat Lena in den 
Leuchtkreis der Laterne und bot mir freundlich guten Abend. Sie war 
von kleiner Statur; ihre Gesichtszüge — sie mochte in meiner Knabenzeit 
etwas über dreißig Jahre zählen — ließen erkennen, daß sie einst un¬ 
gewöhnlich wohlgebildet gewesen sein mußten Nur die schönen, braunen
	        
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