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ihre Absicht erreicht, so streicht sie ab, zuerst nur niedrig über dem Moos⸗
boden dahin schwebend. Allmählich aber steigt sie hoch empor und deutlich
erglänzt nun in der Sonne die hübsche Zeichnung der Unterseite ihrer
Flügel. Mit kräftigem Flügelschlage wiegt sie sich in der Luft, bis sie
plötzlich in jähem Sturze mit blitzschnell zusammenklappenden Flügeln
fast bis auf den Boden herabwirbelt. Das ist ein wunderbares Flug⸗
kunststück von so eigener Art, wie man es sonst selten zu sehen bekommt.
Im Herbste ist das Moos für die vom Norden her auf der
Wanderschaft befindlichen Kiebitze ein Ruhe⸗ und Futterplatz. Sie
scharen sich dann mit den im Moos selbst brütenden zu ungeheuren
Flügen zusammen. Zieht eine solche Wolke von Kiebitzen in dem
ihnen eigenen schwankenden Fluge hoch dahin, so zeigt sich uns bald
die schwarze Oberseite des Ruückens bald die weiße Bauchseite. Wird
diese weiße Unterseite von der untergehenden Sonne beleuchtet, so
heben sich die hundert Vogelkörper von dem dunkeln Abendhimmel wie
aufleuchtende, glitzernde Sternchen ab, die bei jeder Drehung der Vögel
oerschwinden oder wieder aufflammen.
Auch an Birkwild ist das Moos sehr reich. Im Frühjahre sieht
man in den kleinen Gehölzen manchmal jeden Baum von mehreren
dieser prächtigen Hühner besetzt und auf dem Firste der Torfhütten
sitzen sie dann oft wie Spatzen auf dem Zaune dicht nebeneinander.
Das Nest des Birkhuhnes ist freilich sorgfältig versteckt und befindet
sich meist unter dem in dichten Büschen beisammenstehenden Heidekraut.
Ein echter Moosbewohner, der Flur und Wald geflissentlich meidet,
ist der Brachvogel. Sein graues Federkleid hebt sich so wenig von
der Farbe des Mooses ab, daß er trotz seiner Größe nur von einem
sehr geübten Auge bemerkt werden kann. Er zieht aber sofort die
Aufmerksamkeit jedes Moosbesuchers auf sich, sobald er sich vom
Boden erhebt und im langsamen, niederen Fluge sein wehmütiges
Lied erklingen läßt. Es ist ein langgezogener, einförmiger Triller,
der wie eine Klage über die einsame Landschaft dahinzieht.
Zahlreich sind noch die andern Tiere des Mooses, zahllos ist das
Heer der niederen und niedersten Wassertiere, das sich in den Ge—
wässern des Moores seines Daseins freut. Eigenartig ist auch das
Nachtleben im Moose. Ein großer, mächtiger, vielstimmiger Chor
hebt da an, der aus viel tausend Kehlen in die stille, schweigsame
Nacht hinaustönt. Es ist ein merkwürdiges, seltsames Stimmengewirr,
das dem Unkundigen und Furchtsamen Unbehagen einflößt und das
wohl schon zu mancher Schauergeschichte die unschuldige Veranlassung
gegeben hat.
Ernst Oertel.