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v 112. Der tute Soldat.
(Johann Gabriel Seidl.)
Auf ferner, fremder Aue
da liegt ein toter Soldat,
ein ungezählter, vergeß'ner,
wie brav er gekämpft auch hat.
Es reiten viel Generale
mit Kreuzen an ihm vorbei;
denkt keiner, daß, der da lieget,
auch wert eines Kreuzleins sei.
Es ist um manchen Gefallneu
viel Frag' und Jammer dort,
doch für den armen Soldaten
giebt's weder Thräne noch Wort. —-
Doch ferne, wo er zll Hanse,
da sitzt, beim Abendrot,
ein Pater voll banger Ahnung
und sagt: „Gewiß, er ist tot!"
Da sitzt eine weinende Mutter
und schluchzet laut: „Gott helf'!
Er hat sich angemeldet:
Die Uhr blieb stehen um elf!"
Da starrt ein blasses Mädchen
hinaus ins Dämmerlicht:
„Und ist er dahin und gestorben,
meinem Herzen stirbt er nicht!" —
Drei Augenpaare schicken,
so heiß es ein Herz nur kann,
für den armen toten Soldaten
ihre Thränen zum Himmel hinan.
Und der Himmel nimmt die Thränen
in einem Wölkchen auf
und trügt es zur fernen Aue
hinüber im raschen Lauf.
Und gießt aus der Wolke die Thränen
aufs Haupt des Toten als Tau,
daß er unbeweint nicht liege
ans ferner, fremder Au'.