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bald," rief er, „du Langsamschleicher?" — „Ich bin schon seil einer
Viertelstunde hier," antwortete die Schnecke, „aus Langeweile ging
ich dann noch über den Vach."
Der Fuchs zog beschämt den Schwanz ein und sprach: „Das
kleine Ding kann mehr als du!" ließ die Schnecke drüben stehen und
ging V0N dannen. O. Dähnhardt
(Deutsches Märchenbuch).
99. Vergißmeinnichts Name.
Als Gott der Herr Himmel und Erde erschaffen hatte und
alles, was auf der Erde ist, gab er den Pflanzen ihre Namen
und befahl, die Namen wohl zu behalten. Ein Blümlein aber,
blau von Farbe wie der wolkenlose Himmel, kam bald darauf
zurück zu dem Schöpfer. Mit einer Träne im Auge sagte es
klagend: „Herr, ich habe im Geräusch der Menge meinen Namen
vergessen. Wie hast du mich genannt?" Und der Herr sprach:
„Vergiß—mein—nicht!" —
Als das Blümlein der Rede nachdachte, zog es sich zurück
an den stillen Bach in die Einsamkeit. Da glänzen bis auf diesen
Tag die blauen Äuglein der Pflanze mit den goldenen Sternen
in der Mitte. Wenn aber jemand das Blümlein sucht und pflückt,
so ruft ihm noch heute der liebe Gott durch dasselbe zu: „Ver¬
giß mein nicht!" Alexander Cosmar.
100. Sei bescheiden!
1. Brichst du Blumen, sei bescheiden,
nimm nicht gar so viele fort!
Sieh, die Blumen müssen's leiden,
doch sie zieren ihren Ort.
2. Nimm ein paar und laß die andern
in dem Grase, in dem Strauch!
Andre, die vorüberwandern,
freun sich an den Blumen auch.
3. Nach dir kommt vielleicht ein müder
Wandrer, der des Weges zieht
trüben Sinns — der freut sich wieder,
wenn er auch ein Röslein sieht.
Johannes Trojan.
Dietleins Deutsches Lesebuch. Mittelsch. I.
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