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Mehrmals kämpfte Sokrates für sein Vaterland und sein Name ward
unter den Tapfersten genannt, aber bescheiden leistete er Verzicht auf die
öffentliche Anerkennung seiner Verdienste. Durch seine Unerschrockenheit
rettete er in einer Schlacht dem Alcibiades das Leben. Der kühne Jüng¬
ling war schon verwundet niedergesunken; da eilte Sokrates herzu, deckte
ihn mit seinem Schilde und entzog ihn glücklich der Gefahr.
Eben so unerschrocken war er auch im bürgerlichen Leben, und weil
er die Gottheit fürchtete, kannte er keine Menschenfurcht. Als die Athener
bei Lesbos einen Sieg über die Flotte der Lacedämonier gewonnen hatten,
waren zwei von den zehn Befehlshabern beauftragt worden, die während
des Gefechtes schiffbrüchig Gewordenen zu retten und die Leichname der
Gebliebenen in Sicherheit zu bringen. Die stürmische Witterung hatte
dies aber unmöglich gemacht. Darüber zogen die wankelmüthigen Athener
sämmtliche Zehn zur Verantwortung vor Gericht und in der Leidenschaft
verlangte man, Alle auf Einmal zu verurtheileu. Sokrates aber, der au
diesem Tage gerade Vorsitzender der richterlichen Versammlung war, wider¬
setzte sich standhaft jenem Vorhaben, weil es wider das Gesetz sei, Jeman¬
den ohne Verhör zu verdammen. Das Volk tobte, viele der Mächtigen
droheten, aber Sokrates blieb fest, ließ sich nicht einschüchtern vom Geschrei
des Volkes und dem Zorn der Vornehmen und sein Wille drang durch.
Denn er war des Glaubens, daß die Götter Alles wüßten, was man
redete oder handelte, ja auch was das Herz dächte.
2. Lehrweise.
Sokrates bildete nicht, wie die Philosophen nach ihm, eine abgeson¬
derte Schule oder einen geschlossenen Kreis von Jüngern, sondern suchte
vielmehr allen seinen Mitbürgern durch gelegentliche Unterredungen zu
nützen. Als ein echter Bürgerfreund und leutseliger Mann verkehrte er
mit den verschiedensten Menschen aus allen Ständen von jederlei Alter
und Gewerbe, und, wie Einer unserer Dichter von Jesu sagt, daß er durch
Gleichniß und Exempel jeden Markt zum Tempel gemacht, so wurde oft¬
mals durch Sokrates die Werkstatt eines Riemers oder Panzermachers
zu einer Akademie und Schule der Weisheit. Man konnte ihn den grö߬
ten Theil des Tages au öffentlichen Orten finden. Frühmorgens besuchte
er die Hallen und Gymnasien, wo die athenische Jugend Leibesübungen
trieb, auch viele Erwachsene sich einfanden, um sich über Dies und Jenes
zu besprechen. Nach der dritten Stunde (9 Uhr Vormittags) war er auf
dem Markte und die übrige Zeit des Tages da, wo er die meisten Leute
vermuthete. Dabei sprach er mehrentheils und wer Lust hatte, konnte ihm
zuhören. „Menschen zu saugen"*), wie er selber sagte, war bei diesem
scheinbaren Müßiggänge sein Zweck. Und darauf verstand er sich trefflich.
Sokrates wünschte den Tenophon, einen schönen Jüngling von vor¬
*) Matth. 4, 19: Folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen.