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Mit diesen Worten stand er ans und setzte sich, wie es Hilfeflehenden 
ziemte, in die Asche neben dem Herde. Überrascht verstummten die An¬ 
wesenden alle. Endlich stand der König ans, faßte ihn bei der Hand, 
hieß seinen Sohn Laodamas, der ihm zunächst saß, aufstehen und führte 
den Gast zu dem leeren Sessel. Alsbald war nach der Sitte eine Die¬ 
nerin mit Wasserkanne und Waschbecken bereit und besprengte dem Fremd¬ 
ling die Hände. Dann ward ein Tischchen vor ihn hingestellt und so¬ 
gleich mit Brot und Speisen gefüllt. 
Als er gegessen und getrunken hatte und die Phäaken noch dem 
gastlichen Zeus, dem Beschützer der Hilfeflehenden, ein Trankopfer dar¬ 
gebracht hatten, entließ Alkinoos die Fürsten. Odysseus allein blieb zurück. 
Da nahm die kluge Arete das Wort, die den Helden schon längst mit 
Verwunderung betrachtete und seine Kleider sehr wohl wiedererkannte, 
welche sie selbst mit ihren Dienerinnen gewebt hatte. „Fremdling," 
sprach sie, „ich muß dich doch fragen: Wer bist du und woher kommst du? 
Wer hat dir diese Kleider gegeben? Sagtest du nicht, du wärest vom 
Sturm an unsere Insel verschlagen worden?" Odysseus erwiderte: 
„Erlasse mir's, edle Königin, dir jetzt ausführlich mein Schicksal zu er 
zählen, denn allzuviel Leid haben die Himmlischen über mich verhängt. 
Das aber, wonach du mich fragst, will ich dir sogleich sagen." Er er¬ 
zählte ihr seine Fahrt von Ogygia über das Meer, den Untergang seines 
Schiffes und seine endliche Rettung am Gestade von Schema. „Das war 
am gestrigen Abend," schloß er seine Erzählung, „die Nacht habe ich 
im Gebüsch zugebracht, und ein tiefer Schlaf hielt mich bis zum Nach¬ 
mittag gefesselt. Als ich endlich erwachte, sah ich deine Tochter mit 
andern Jungfrauen nicht ferne von mir. Ich uslljte mich ihr flehend, 
und sie erquickte mich liebreich mit Speise und Wein und gab mir auch 
diese Kleider, itad) denen du fragst. So bin ich hierher gekommen." 
Nun befahl die Königin den Mägden, dem Gaste unter der Halle 
ein Bett aufzustellen, schöne weiche Kissen darauf zu legen und warme 
wollene Decken. Sie gingen mit Fackeln hinaus, besorgten alles aufs 
beste und riefen dann den Fremdling, der sich froh ans das willkommene 
Lager streckte ltub bald von süßem Schlaf umfangen war. 
18. Krösus und Solon. 
(Herodot, übersetzt von Lange.) 
Als der König Krösos von Lydien alle Völker Kleinasiens unter 
feine Botmäßigkeit gebracht hatte und seine Hauptstadt Sardes auf dem 
Gipfel ihrer Herrlichkeit stand, kamen dorthin viele Fremde ans allen
	        
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