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befestigt; sie bildet einen besonderen Gerichtsbezirk. Sie erhält in dem
Stadtrat einen vielgliedrigen Gemeindeausschuß, während die Landgemeinde
sich mit einem Ortsvorsteher begnügt. Sie ist endlich in bezug auf die
militärischen und finanziellen Leistungen und Pflichten vor dem platten
Lande bevorzugt.
Solche Städte gibt es in Deutschland nicht vor dem elften Jahr¬
hundert, in welchem, nachdem das mit Bangen erwartete Jahr 1000 über¬
standen war, überall und in allen Beziehungen, in Religion, Staat und
Kunst neues Leben erwachte. Da traten auch die Städte hervor. Wir
finden sie im Westen, besonders in den rheinischen Gegenden, deren
Hauptorte, römischen oder fränkischen Ursprunges, sich allmählich zu einer-
gewissen Selbständigkeit aufgeschwungen haben. Um dieselbe Zeit tritt
auch der kräftige Zug nach dem Osten ein, von dem wir gesprochen
haben, und bei dem sich Religion und Lust an Handel und Verkehr zu
demselben Resultate: immer vorwärts! vereinigen. Es ist die Zeit der
Kreuzzüge, es ist die Zeit der Besiedelung des slawischen Ostens. Hier
werden dann Niederlassungen gegründet, die schon bei ihrem Entstehen in
ihrer Verfassung Nachbildungen der allmählich erwachsenen westlichen
Städte sind. Es sind Kolonien. Von ihnen ist die wichtigste das im
zwölften Jahrhundert entstandene Lübeck, dessen Bedeutung anfangs nicht
zum geringsten Teile darin bestanden hat, daß es der Ort war, von dem
man am besten in die Länder der Heiden, nach Livland usw. gelangen
konnte. Aber ebensosehr führte die Lust am Handel die Ansiedler nach
Lübeck. Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß die Germanen, die nach
Taeitus die Kaufleute haßten, allmählich das geschickteste Handelsvolk ge¬
worden sind. Das ging aus von den Seegermanen, vor allen von den
Friesen, und es verbreitete sich von den Mündungen des Rheins, der
Ems und der Weser weiter in das Innere. Auch die als Ackerbauer-
berühmten Westfalen sind bald die unternehmendsten Kaufleute geworden.
Es sind das Dinge, die noch besser aufgeklärt zu werden verdienen. Aber
die Tatsache steht fest, daß gerade Lübeck, die große Handelsstadt, seine
tätigsten Einwohner aus diesen westlichen Gegenden, zumal aus Westfalen
erhalten hat.
Die Gründung Lübecks ging aus von dem schauenburgischen Grasen¬
hause, das seit 1110 in Holstein herrschte. Nachdem die heidnischen
Ranen, Bewohner Rügens, Alt-Lübeck zerstört hatten, wurden 1142 ge¬
ordnetere Zustände hergestellt. Heinrich der Löwe wurde Herzog von
Sachsen, Adolf II. von Schauenburg Gras von Holstein und dessen Gegner-
Heinrich von Badewide Gras von Ratzeburg, beide als sächsische Vasallen.